Tage Alter Musik – Jubiläumsschrift 2009
den Rahmens, des historischen Ambiente, sicherlich kompensiert wird. Als häufigster Veranstaltungsort für ‚weltliche‘ Mittelalter- und Renaissancegruppen sowie Kammermusikensembles in den Bereichen Barock bis Klassik setzte sich der historische Reichssaal durch. Bei größeren Formationen, vor allem barocker Orchestermusik, wurde von Anfang an wegen der Geräumigkeit und der Würde des als Museumskirche säkularisierten Kirchenraums die Minoritenkirche bevorzugt. Seit Mitte der 90er Jahre wurde mit wachsender Regelmäßigkeit und Häufigkeit, nicht zuletzt wegen der guten akustischen und der räumlichen Größe (gute Sichtverhältnisse!), die Dreieinigkeitskirche ins Festivalgeschehen einbezogen. (Die ausgezeichnete Akustik ist von Aufnahmeteams und von Künstlern wie Philippe Herreweghe und Jos van Immerseel immer ausdrück- lich betont worden.) Leider steht der Raum wegen Renovierungsarbeiten in nächster Zukunft nicht zur Verfügung. Die Alte Kapelle bietet für barocke Kirchenkonzerte einen idealen, immer wieder beein- druckenden Rahmen. Als stilvolles Pendant zum Reichssaal hat sich – vor allem bei barocker Kammermusik – die Kirche St. Oswald bewährt. Mag es Regensburg auch an (mehr) größeren reprä- sentativen Barocksälen mangeln, eine Vielzahl von kleineren historischen Räumlichkeiten steht für soli- stische Auftritte (Rezitale) bzw. kleinere Ensembles zur Verfügung: Ägidienkirche, Andreasstadel, Herzogssaal, Spiegelsaal der Regierung, Runtingerhaus, Leerer Beutel. Bei aufwändigerem Bühnenbedarf (Szene, Tanz) hat sich der Neuhaussaal als geeignete Stätte erwiesen. Das Organisationsteam des Festivals ist immer bemüht, wechselnde und neue Veranstaltungsorte einzube- ziehen und die Aufführungen für Künstler wie Publikum so kommod wie möglich einzurichten. Historische Aufführungspraxis Das Festival ‚Tage Alter Musik Regensburg‘ hat sich seit seiner Gründung als Veranstaltungsreihe ver- standen, die sich der sog. Alte-Musik-Bewegung verpflichtet weiß, der historischen Aufführungspraxis – dargeboten an historischen Stätten. Auch wenn längst nicht mehr das Authentizitätsideal beschworen oder auf akademisches Spezialistentum abgehoben wird, so möchte die Aufführungspraxis doch daran festhalten, durch ‚Historisierung‘, durch ‚historische Informiertheit‘ Repertoire wiederzuentdecken, an den Werken der Vergangenheit einen lebendigen, innovativen Reiz zu entdecken und durch die Wahl der Instrumente, Besetzung, Spiel- und Gesangstechniken neue Klangbilder zu schaffen. Diese neuen Klangbilder sprechen den gegenwärtigen Hörer an, welcher der herkömmlichen, konventionellen Aufführungstradition, die sich vereinheitlichend der gesamten Musiktradition bemächtigt hat, kurzzei- tig oder nachhaltig überdrüssig ist. Alte Musik wird also nicht als Epochenbegriff verstanden, sondern als neuer Interpretationsansatz im Sinne der historischen Aufführungspraxis. Daraus erklärt sich, dass die Tage Alter Musik Regensburg nicht nur Konzerte mit Musik des Mittelalters, der Renaissance und des Barock anbieten, sondern immer wieder auch solche der Klassik und Romantik. Dieses Konzept ist in der Festivallandschaft durchaus etwas Besonderes. So wurde z.B. Anima Eterna/ Immerseel von vie- len Festivals deshalb nicht eingeladen, weil die Veranstalter glaubten, das Repertoire dieses Orchesters mit traditionellen Orchestern abdecken zu können. Inhaltliche Schwerpunkte ‚Musik vom Mittelalter bis zur Romantik‘ lautet das programmatische Motto und die Organisatoren sind bestrebt, bei jedem Festival diese Epochen – unter Vorgabe der historischen Aufführungspraxis – auch abzudecken. Aus dem umfänglichen Repertoireangebot, das die Alte-Musik-Bewegung inzwischen 72
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