Tage Alter Musik – Jubiläumsschrift 2009

geschaffen hat, muss aber auch das Regensburger Festival eine Auswahl treffen. Obwohl es sich keiner Ausweitung oder Spezialisierung grundsätzlich verschließt, hat es doch im Laufe der Jahre gewisse Schwerpunkte gesetzt. Es wendet sich nicht nur an ein spezialisiertes Publikum – mit manchmal abge- legeneren Programmen –, sondern möchte auch ein breites Publikum mit entsprechender Repertoire- auswahl erreichen. Sowohl etablierte Werktraditionen (Bach, Vivaldi) als auch verschüttete und wieder- entdeckte werden mit dem Anspruch auf Attraktivität und virtuose Gestaltung angeboten. Es wird keine Epoche oder Gattung bewusst gemieden; die Ausweitung auf das 19. Jahrhundert wird dabei ebenso beachtet wie der Rückgriff auf das Mittelalter, die Gattungen werden in ihrer Vielfalt berücksichtigt, auch wenn kammermusikalische Besetzungen gegenüber symphonischen und größeren kirchenmusika- lischen Aufführungen sowie Opern einen gewissen Vorzug gewonnen haben. Auswahl der Künstler Das Regensburger Festival hat sich in der Alte-Musik-Szene vor allem dadurch einen Namen gemacht, dass es nicht nur auf etablierte Formationen und Künstler setzt – kaum eine Gallionsfigur der Szene hat bisher gefehlt –, sondern mit besonderemAkzent auf neue, innovative (junge) Gruppen, die erst am viel versprechenden Anfang ihrer Karriere stehen oder zumindest in Deutschland noch nicht so bekannt scheinen. Das erklärt die Vielzahl von Europa- und Deutschlanddebüts; in 25 Jahren gab es etwa 90 sol- che Premieren. Ein weiteres Spezifikum des Festivals ist die internationale Ausrichtung. Die Auswahl der Künstler macht vor keinen Grenzen Halt. Wegen der Bedeutung der dortigen Szene sind beispiels- weise Künstler aus den USA besonders häufige Gäste. Aber auch die europäischen Nachbarländer haben allesamt ihre musikalischen Botschafter an die Donaumetropole geschickt. Inzwischen sind Ensembles aus den meisten europäischen Ländern, ob West-, Süd-, Nord- oder Osteuropa, sowie aus Übersee auf- getreten. Auswahlkriterium ist ausschließlich die Qualität der Künstler, was die Virtuosität, die Attraktivität des Programms und das Innovative ihres Interpretationsansatzes betrifft. Trotz überreicher Avancen im Laufe des Jahres ist die Auswahl mitunter überaus streng. Akquisition der Künstler Künstler werden nach den eben angesprochenen Kriterien ausgewählt, die Akquisition im Einzelnen geht dabei viele Wege. Die Festivalleitung erhält viele Angebote von Agenturen und von den Künstlern selbst, die natürlich geprüft werden. Gerade bei neuen Ensembles müssen Demo-Bänder und CDs ange- fordert, besorgt und getestet werden. Hauptinformationsquelle ist selbstverständlich der immer noch sich stark ausweitende Tonträger-Markt. Es ist sicherlich ein Glücksfall, dass einer der Festivalleiter gleichzeitig Verleger einer Fachzeitschrift für Alte Musik („Toccata“) ist und einen CD-Vertrieb leitet, so dass er sozusagen immer „am Ball ist“, was CD-Neuheiten betrifft. Eine intensive Rezensionstätig- keit der Redaktionsmitglieder sorgt dafür, dass kaum eine Einspielung „durch die Lappen geht“ – beste Voraussetzungen für ein genaues und vollständiges Insiderwissen. Diese Vertrautheit mit der Szene ermöglicht es auch, dass die Festivalverantwortlichen durch viele gewachsene persönliche Künstler- kontakte auf andere Gruppen aufmerksam werden (durch „Mund-zu-Mund-Propaganda“ gewisser- maßen). Dass an bestimmten Persönlichkeiten und Formationen, mit denen hervorragende künstlerische Erfahrungen gemacht wurden und informelle Kontakte über Jahre aufgebaut werden konnten, auch über viele Jahre festgehalten wurde, versteht sich von selbst. Auch spielen gelegentlich ganz pragmatische Aspekte, z.B. Finanzierung, Terminierung, verfügbare Konzertorte u.ä., bei der Akquisition eine Rolle. 73

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