Tage Alter Musik – Jubiläumsschrift 2009
II. Messen und Motetten, Frottole und Chansons Hofkapellen, Straßenmusikanten und Hausmusik (Musik der Renaissance) Zwar ist die Epochengrenze zwischen Spätmittelalter und Renaissance fließend, was u.a. die Tatsache belegt, dass viele Künstler ein gemischt-übergreifendes Programm anbieten, doch kann der musikge- schichtliche Wandel, von dem mancher Forscher behauptet, er stelle den Höhepunkt der abendländi- schen Musikentwicklung überhaupt dar, nicht hoch genug angesetzt werden. Musikalische Affektsprache, harmonisches Prinzip und Satzarchitektonik – Voraussetzungen und Paradigmata der neuzeitlichen Musik werden im geistlichen wie weltlichen Bereich grundgelegt. Wegen ihrer musikgeschichtlichen Bedeutung, aber auch wegen ihrer Publikumsattraktivität haben die Tage Alter Musik auf diese Musiktradition von Anfang an einen deutlichen Akzent gelegt. Geistliche Renaissancemusik Der neue Stil in der Kirchenmusik, die sog. Franko-flämische Schule (verbunden mit Komponistennamen wie Dufay, Ockeghem, Binchois, Orlando di Lasso, Josquin Desprez), welche mit der cantus-firmus-Messe der Textverständlichkeit und Harmonik zum Durchbruch verhalf, wurde in einer Reihe von Aufführungen erlebbar, die von namhaften internationalen Vokalensembles präsentiert worden sind. Englands a-capella-Chöre Ähnlich wie im Mittelalterbereich sind es zunächst die Vertreter der traditionell hochstehenden engli- schen Gesangskultur, welche für die Interpretation der geistlichen Renaissancemusik Maßstäbe setzten (inzwischen hat sich die Szene stark internationalisiert). Auf das Konzert des Hilliard-Ensembles (1986), das Dufays berühmteste Messe „L’Homme Armé“, die erste durchkomponierte cantus-firmus- Messe überhaupt, in den Mittelpunkt ihres Mittelalter- programms gestellt hat, wurde bereits hingewiesen. Mit zeitlicher Verzögerung war endlich 1993 auch die zwei- te berühmte englische Formation, die Tallis Scholars unter ihrem Leiter Peter Philips, zu Gast bei den Tagen Alter Musik und sorgte für einen Massenandrang. Das Programm schöpfte mit Werken von Tallis, Byrd und anderen aus dem ‚Goldenen Zeitalter‘ der Mehrstim- migkeit der englischen Renaissance. Bereits im Jahr dar- auf gab ein weiteres englisches Vokalensemble ähnlichen Profils ‚seine Visitenkarte ab‘, The Oxford Camerata mit ihrem Leiter Prof. Jeremy Summerly. In der Oxford Camerata sangen damals junge Sängerinnen und Sänger, die später noch eine große Karriere machen sollten, z.B. Robin Blaze, James Gilchrist, Andrew Carwood, Rebecca Outram. Der Veranstalter Stephan Schmid erinnert sich: „Jeremy Summerly hat mich bei jeder Gelegenheit auf die Schrems-Ära der Regensburger Domspatzen angesprochen, vor der 87 The Oxford Camerata (1994)
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