Tage Alter Musik – Programmheft 2020
49 T age a LTeR M uSIK R egenSBuRg Konzert 10 Heinrich Schütz ein. Weitere CD-Produktionen entstanden im Duo mit dem italienischen gambisten Paolo Pandolfo. Darüber hinaus wirkte Fra- nçois Joubert-Caillet bei Soundtracks zu diversen Filmen mit und war regelmäßig in verschiedenen europäischen Rundfunkstationen zu hören. Seit einigen Jahren läuft das aufnahmeprojekt sämtlicher Werke für gambe von Marin Marais für das Label Ricercar. Dieses Mammutprojekt (fünf Bücher, über 600 Stücke, ca. 20 CDs) soll bis 2021 abgeschlossen sein. Bisher erschienen Pieces de Viole Buch I (4 CDs) und Buch 2 (5 CDs). zum Programm: Die ouvertüren von Johann bernhard bach „No. 18. Joh. Bernhard Bach, ältester Sohn von Johann Egydio Bachen Sub No. 8 ist in Erffurth An. 1676 gebohren. Lebet noch anjetzo (nehmlich 1735) als Cam- merMusicus u Organist in Eisenach. Succedirte Joh. Christ. Bachen Sub No. 13. Deßen einziger Sohn folget Sub No. 34.“ Mit diesen Worten erwähnt Johann Sebastian Bach dieses Mitglied der Dynastie in der von ihm 1735 verfassten genealogie. Johann Bernhard Bach (1676-1749) ist somit der Sohn eines Cousins von Johann Sebastians Vater. In seiner geburtsstadt bekleidet Johann Bernhard den ersten organistenposten an der Kaufmannskirche, bevor er 1699 weiter im norden eine ähnliche anstellung bekommt, an der Katharinenkirche von Magdeburg. Dort bleibt er aber nur kurze Zeit, da er 1703 Johann Christoph, einem Cousin aus einem anderen Zweig der Familie, auf dessen organistenposten an der georgenkirche von eisenach nachfolgt. Dieser Johann Christoph ist zweifellos einer der bedeutendsten Komponisten der Dynastie. Johann Sebastian Bach sagte von ihm, er sei ein „profonder Com- ponist“. neben seinen Funktionen als organist war Johann Christoph auch Hofmusiker. So wird Johann Bernhard ebenfalls Cembalist am Hof und 1712 zum Kapellmeister ernannt. Leider ist das alles, was wir über seine Biographie wissen. Kannten sich die beiden Cousins (zweiten grades)? ein Zufall brachte sie 1703, im Todesjahr von Johann-Christoph, in nahe gelegene Städte. Johann Bernhard wurde, wie wir bereits erfuhren, nachfolger des Verstorbenen in eisenach, während Johann Sebastian in arnstadt seine erste organis- tenstelle antrat. Die beiden Städte liegen etwa fünfzig Kilometer vonein- ander entfernt… ein sehr bedeutender Komponist dieser Zeit schuf ebenfalls eine Verbin- dung zwischen den beiden Bachs. es handelt sich um georg Philipp Tele- mann, der damals bereits über eine sehr seriöse ausbildung in allen Stilen verfügte und 1706 zum ersten gei- ger und Kapellmeister des Her- zogs von eisenach ernannt wurde. Ihm folgte Johann Bernhard 1712 auf dem Kapellmeisterposten nach. Man weiß aber auch, dass Johann Sebastian Bach sehr freundschaftliche Beziehungen zu Telemann unterhielt. Davon zeugt, dass Telemann der Taufpate von Johann Sebastians zweitem Sohn, Carl Philipp emanuel, war. So knüpften sich nach und nach Beziehungen zwischen diesen Musikern an. Doch fehlen uns so viele Informa- tionen! aber man kann kaum anders, als sich solche Begegnun- gen vorzustellen! Zum Beispiel, dass Johann Sebastian Johann Bernhard beim Begräbnis von onkel Johann Christoph traf? oder dass Telemann 1714 anlässlich der geburt seines Patenkinds nach Weimar kam? Von Johann Bernhard ist recht wenig erhalten; einige Stücke für Cembalo (3 Chaconnen), einige orgelchoräle und vor allem vier ouvertüren für orchester, drei davon sind heute im Konzert zu hören. Das ist nicht viel neben den hunderten Kompositionen seines Cousins und Telemanns, seines Kollegen vom eisenacher Hof. Diese ouvertüren von Johann Bern- hard Bach bilden auch eine sehr wichtige Verbindung zur musikalischen Tätigkeit Johann Sebastian Bachs in Leipzig. Im nachlass Carl Philipp emanuel Bachs finden sich nämlich Kopien dreier dieser ouvertüren (D- Dur, g-Dur und g-Moll). Sie werden auf die Jahre 1729/1730 datiert und waren zweifellos für die Konzerte des Collegium Musicum bestimmt. außerdem gehören drei ouvertüren (g-Moll, g-Dur und e-Moll) zu einer Sammlung, die als vollständige Partitur von einem gewissen S. Hering in der zweiten Hälfte des 18. Jhs. kopiert wurde. noch interessanter ist, dass wir für drei der ouvertüren (D-Dur, g-Dur, g-Moll) über Material verfügen (getrennte Stimmen für die Instrumentalisten), das von meh- reren Kopisten stammt, von denen einige identifiziert werden konnten: Johann Sebastian Bach, Carl Philipp emanuel Bach, Johann Ludwig Krebs und Johann Ludwig Dietel. Hier ein kleines Szenario einer rekonstruier- ten historischen Szene… Kopien der Partituren von Johann Bernhards ouvertüren sind eben in Leipzig eingetroffen. Ist Johann Bernhard seinen Cousin besuchen gekommen? Diese Musik soll beim nächsten Sonntagskonzert des Col- legiumMusicum aufgeführt werden. Wie bei der Kantate, die beimMor- gengottesdienst in der Thomaskirche gespielt wurde, muss nun das notenmaterial in aller eile kopiert werden. Jede Hilfe ist willkommen, denn man braucht ausreichend noten für alle Musiker. Verschiedene Kopisten bemühen sich um die zwei für die Violinen notwendigen exem- plare. Johann Sebastian vervollständigt die noten, die für die Basso-con- tinuo-Spieler vorgesehen sind; er fügt die Bezifferung sorgfältig hinzu. all das geht sicher mit einer gewissen aufregung Hand in Hand, mit demWunsch, die noten so rasch wie möglich auf die Pulte zu legen und diese Musik zu gehör zu bringen, sie zu proben und so das Konzert im Café Zimmermann vorzubereiten. Dort werden die Werke von „Kennern und Liebhabern“ gehört, wie Carl Philipp emmanuel Bach sich später ausdrücken sollte, um das Publikum zu beschreiben, für das diese Sona- ten und Rondos bestimmt waren! einige Zuhörer rauchten Pfeife, andere tranken Wein aus Franken oder einen Humpen Bier, und nach dem Kon- zert diskutierten sie über die Musik, die sie eben gehört hatten. Ver- glichen sie sie mit den entsprechenden Werken Johann Sebastians, von denen bekannt ist, dass sie ebenfalls unter diesen umständen gespielt wurden? ! L’Achéron 2016 im Reichssaal Foto: Hanno Meier
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