Tage Alter Musik – Programmheft 2020
51 T age a LTeR M uSIK R egenSBuRg Konzert 10 Für die Musiker von achéron war die Versuchung groß, in gewisser Hin- sicht den gepflogenheiten von Johann Sebastian in Bezug auf seine eigenen ouvertüren zu folgen. Man konnte nämlich feststellen, dass es von seinen vier Kompositionen verschiedene Fassungen gibt, deren unterschied vor allem in der Besetzung liegt. Das frappierendste Beispiel ist das der dritten Suite, deren erste Fassung nur für Streicher ohne oboe und Trompeten geschrieben ist. Wie am Hof des Sonnenkönigs verfügten auch die Höfe des deutschen adels über mehrere arten von Musikern, darunter über Spieler von Blasinstrumenten, deren Rolle sich zunächst auf die Militär- oder die Jagdmusik beschränkte. Zu diesem Thema weiß man zum Bei- spiel, dass die Hornisten amWeimarer Hof für ihre (nicht die Jagd betref- fenden) Leistungen eine extrazahlung erhielten, als Bach sie für die Jagd- kantate einsetzte, deren einleitende Sinfonia zur ersten Fassung des spä- teren ersten Brandenburgischen Konzerts wurde. ebenso kann man beobachten, dass mehrere Höfe über eine „Militärmusik“ verfügten, die hauptsächlich aus oboen, Tenoroboen und Fagotten bestand. Diese Musi- ker waren nicht immer im Krieg, so dass die Hofkomponisten sie bei den Vergnügungen einsetzten und manchmal ein besonderes Repertoire für sie schrieben. Manche Mitglieder der Bachdynastie zeichneten sich übri- gens in diesen Funktionen als Stadt- oder Militärmusiker aus: Das ist u.a. der Fall bei Johann Jacob Bach, einem älteren Bruder Johann Sebastians, der 1706 als oboist in den Dienst des Königs von Schweden trat. anläss- lich seiner abreise schrieb Johann Sebastian das Capriccio über die abreise des sehr geliebten Bruders. Hier soll auch daran erinnert werden, dass diese Blasinstrumente, also oboen, Fagotte, aber auch Querflöten, außerdem zu den elementen zählten, durch die die französische Musik ab den Jahren 1685 in Deutschland großen einfluss gewann, als die fran- zösischen Hugenotten infolge der aufhebung des edikts von nantes durch Ludwig XIV. in diesem Land Zuflucht fanden. Die an diesen ouvertüren vorgenommenen Instrumentierungen verlei- hen ihnen Klangfarben, die den Charakter bestimmter Stücke hervorhe- ben. Die Flöten der ouvertüre in e-Moll unterstreichen den nostalgischen Charakter der Tonart dieser ouvertüre, die weit weniger martialisch ist als die in D-Dur oder die in g-Dur. In derselben Suite unterstreichen die kleinen Flöten den volkstümlichen Charakter des Rigaudon oder der gavotte. auch der von den oboen offensichtlich verstärkte militärische aspekt (Marsch in D-Dur) einiger Sätze kann nicht überraschen. Wie bei Johann Sebastian ist eine der vier ouvertüren Johann Bernhards mit einer konzertanten Stimme für ein Instrument geschrieben, im vor- liegenden Fall für Violine. Das ist auch der Fall bei der zweiten ouvertüre von Johann Sebastian: Die in Köthen geschriebene originalfassung in a- Moll war nämlich für Violine konzipiert; sie wurde nach h-Moll trans- poniert und in der Leipziger Zeit für Querflöte umgeschrieben. ein Rätsel bleibt bis jetzt ungelöst, das Kompositionsdatum dieser Werke. offensichtlich gehören sie einem archaischeren Stil an als die Johann Sebas- tians. auch kommt ihnen weder die gleiche komplexe Kompositionsweise zugute noch das gleiche Maß an Virtuosität der Musiker, das Johann Sebas- tian an seinen verschiedenenarbeitsplätzen inWeimar, Köthen oder Leip- zig nutzen konnte. Die Frage, ob sich Johann Sebastian von den Werken seines Cousins inspirieren ließ, wie oft angenommen wurde, ist schwer zu beantworten. als sicher gilt, dass J. S. Bach bestimmt die Musik seines Cousins J. B. Bach nicht nötig hatte, um diese Form zu ent- decken, die sich in seiner Zeit bereits durchgesetzt hatte. offen- sichtlich ist dagegen, dass die vier ouvertüren von Johann Bernhard Bach den Stil der ersten Komposi- tionen dieser art aufweisen, die in Deutschland wohl ab dem Beginn des 18. Jhs. geschrieben wurden. © Jérôme Lejeune Übersetzung: Silvia Berutti-Ronelt CD: L’Achéron – Johann Bernhard Bach – Ouvertures J ohAnn b ernhArD b ACh – J ohAnn s ebAstIAn b ACh – o rChesteroUVertüren J ohAnn s ebAstIAn b ACh ouverture C-Dur BWV 1066 Ouverture Courante Gavotte I & II Forlane Menuet I & II Bourrée I & II Passepied I & II J ohAnn b ernhArD b ACh (1676-1749) ouverture g-Dur Ouverture Gavotte en Rondeau Sarabande Bourrée Air Menuet Gigue ouverture e-Moll Ouverture Air Les Plaisirs Menuet I & II Air Rigaudon Courante Gavotte en Rondeau ouverture D-Dur Ouverture Caprice Marche Passepied I & II Caprice Air La Joye Caprice Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente Volker Platte, 42897 Remscheid/Lennep, für die freundliche Bereitstellung des Cembalos P roGrAMM L’A ChÉron François Joubert-Caillet Bass-Viola da gamba & Leitung Clémence schaming & Jérôme van waerbeke Violine Céline Lamarre Viola Élodie Peudepièce Kontrabass Johanne Maître & elsa Frank Oboe & Blockflöte Mélanie Flahaut Fagott & Blockflöte Philippe Grisvard Cembalo A UsFührenDe
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