Tage Alter Musik – Almanach 2021

8. BIS 10. OKTOBER 2021 MUSIK VOM MITTELALTER BIS ZUR KLASSIK KONZERTE AN HISTORISCHEN STÄTTEN ALMANACH 2021 Preis: 4,00 €

Zeittafel 2 Freitag, 8. OktOber 2021 Konzert 1: Dreieinigkeitskirche, Am Ölberg 1, 17.30 Uhr (!) & 20.00 Uhr regensburger Domspatzen & hofkapelle münchen Konzert 2: Neuhaussaal, Theater am Bismarckplatz, 17.30 Uhr (!) a nocte temporis (belgien) Konzert 3: Minoritenkirche, Dachauplatz 2-4, 21.45 Uhr schola gregoriana Pragensis (tschechien) & barbora kabátková, sopran Konzert 4: Dreieinigkeitskirche, Am Ölberg 1, 23.15 Uhr (!) hathor consort (belgien) & Dorothee mields, sopran SamStag, 9. OktOber 2021 Konzert 5: Dreieinigkeitskirche, Am Ölberg 1, 11.00 Uhr l’achéron (frankreich) Konzert 6: Basilika St. Emmeram, Emmeramsplatz 3, 14.00 Uhr a&a cembalo duo (russland) Konzert 7: 16.00 Uhr, Neuhaussaal, Theater am Bismarckplatz concerto de’ cavalieri (italien) Konzert 8: Dreieinigkeitskirche, Am Ölberg 1, 19.30 Uhr (!) solomon’s knot (großbritannien) Konzert 9: Minoritenkirche, Dachauplatz 2-4, 22.30 Uhr le miroir de musique (schweiz) SOnntag, 10. OktOber 2021 Konzert 10: Minoritenkirche, Dachauplatz 2-4, 11.00 Uhr siglo de oro (großbritannien) Konzert 11: Dreieinigkeitskirche, Am Ölberg 1, 14.00 Uhr constantinople (kanada) & marco beasley, tenor Konzert 12: Reichssaal, Rathausplatz 1, 17.00 Uhr il festino (frankreich) Konzert 13: Dreieinigkeitskirche, Am Ölberg 1, 19.30 Uhr (!) la festa musicale (hannover) zeittafel tage alter musik regensburg 2021

Vorwort / Inhalt 3 inhalt Bayerische Staatszeitung 4 BR-KLASSIK 6 Concerto 14 Landshuter Zeitung 16 Mittelbayerische Zeitung (MZ) 20 Neumarkter Nachrichten 32 Süddeutsche Zeitung 34 Nachtrag 2019 BR-KLASSIK 38 Nachtrag 2019 Concerto 40 vorwort Nachdem die TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG 2020 und auch die Mai-Ausgabe 2021 wegen der Pandemie abgesagt werden mussten, konnte die 36. Ausgabe des Festivals am zweiten Oktoberwochenende vom 8. bis 10. Oktober 2021 in etwas reduzierter Form stattfinden. Das Konzertangebot umfasste 13 Konzerte. Das Beiprogramm wie Instrumentenausstellung, Kurstag, Einführungsvorträge etc. musste entfallen. Die vorliegende Broschüre fasst die in den Medien erschienenen Berichte über die Tage Alter Musik 2021 zusammen. Die Fotos von Hanno Meier geben die charakteristische und unverwechselbare Festivalatmosphäre wieder. Die 37. Tage Alter Musik Regensburg finden wieder am Pfingstwochenende in der Zeit vom 3. bis 6. Juni 2022 statt. Pro Musica Antiqua (Stephan Schmid, Ludwig Hartmann, Paul Holzgartner)

4 Heiße Liebeständelei nach Noten // Bei den Tagen Alter Musik in Regensburg ging es diesmal um Sex, Krieg und die Jagd // Autor: Uwe Mitsching „Black“ oder „white“ kann sie angeblich sein, und „an english boy“ sei der erste gewesen, „who came in“. Gemeint ist die weibliche Vagina einer irischen Lady: Die Tage Alter Musik in Regensburg fingen ihr Ersatzprogramm für Pfingsten 2021 jetzt mit Liedern an, in denen es um Sex, Krieg und die Jagd ging, Lieder aus Salons der höheren Society und aus irischen Pubs. Entweder aufgeschrieben, gedruckt oder mündlich überliefert und unter dem hübschen Titel „The Dubhlinn Gardens“ zusammengefasst, von Flöte, Harfe (klassisch und keltisch), Cembalo und Gamben begleitet. Und mit dem Tenor Reinaud van Mechelen als richtigem Sänger-Mannsbild, das zu all den Deftigkeiten passt. „A nocte Temporis“ heißt sein belgisches Ensemble, das seit fünf Jahren besteht und schon sechs CDs veröffentlicht hat: 2019 auch die frech-fröhlichen „Dubhlinn Gardens“, an denen man sich zu Händels Zeiten auch in Londoner Theatern erfreute. Wie umgekehrt die Dubliner an der Uraufführung von Händels „Messias“. Musikhistorisch interessant war im Regensburger Programm besonders die Gegenüberstellung verschiedener Fassung: „Eileanóir a Rún“, eine Huldigung an das „liebste Mädchen mit den süßesten Küssen“, in einer mündlich überlieferten Fassung ohne Begleitung, dann für Harfe solo in zarter Troubadour-Klanggestalt und schließlich als Arrangement, das die Opernsängerin Miss Clive in Londons King’s Theatre gesungen hat. Reinaud van Mechelen gab den Hörern im Neuhaussaal nicht nur den Tip: „Die keltische Harfe kennen Sie ja aus der GuinnessReklame“, sondern betonte auch: „Diese Musik war immer auch politisch!“ Es waren „war songs“, Lieder für die Zuschauer von solchen Schlachten, wie sie Wilhelm III. von Oranien zur Niederschlagung der irischen und schottischen Unabhängigkeitsrevolten geführt hat. A nocte temporis im Neuhaussaal

Tage Alter Musik Regensburg 2021 5 Die Speisekarte dieser drei Tage Alter Musik war gewohnt lang, das persönliche VierGänge-Menu enthielt noch mehr Entdeckungen, wie ein russisches Cembalo-Duo mit dem raffiniert betitelten „Danse macabre“-Programmund auf schönen Instrumenten führender deutscher Cembalo-Bauer wie Christoph Kern in Freiburg. Oder das etwas zerstückelt wirkende Eröffnungskonzert mit den Regensburger Domspatzen unter Christian Heiß, wo („Hoffnung trifft Zuversicht“) Mozarts „Kleine Cäcilienmesse“ unvorteilhaft in Einzelteilen aufgeführt wurde, um solchen zwar wichtigen, aber selten gespielten Mozart-Stücken wie dem c-moll-Gipfel „Adagio und Fuge“ KV 546 Platz zu verschaffen. Mit mehr Glück ausgewählt war der glänzende Regensburger Vormittag mit dem französischen Ensemble „L’Achéron“. Was der Papierform nach ein musikhistorisches Seminar hätte sein können, war eine mehr als überzeugende Huldigung an die exzellente Truppe von Francois Joubert-Caillet und an Johann Bernhard Bach, Cousin zweiten Grades von Johann Sebastian, zehn Jahre älter und bei den Tagen Alter Musik in Regensburg mit drei seiner vier „Orchester-Ouverturen“ vertreten – da kann man rätseln, wer von den Cousins die besseren komponiert hat. Denn die drei von J. B., die „L’Achéron“ in blendender Tagesform spielte, klingen zwar vielleicht ein bisschen gravitätischer, archaischer als die von J. S., überzeugen aber durch graziös-tänzerische Leichtigkeit des Klangs, solistische Glanzlichter auf diversen Flöten und sind ein durchsichtiger polyphoner Irrgarten mit präzise herauspräparierten Themen. Sie klingen zeittypisch nach Schäferspiel und Liebesleid – auch ein bisschen noch nach Monteverdi, auf jeden Fall nach Vivaldi: großartig! L’Achéron, Leitung: François Joubert-Caillet in der Dreieinigkeitskirche Zoë Brookshaw, Sopran (Solomon’s Knot) in der Dreieinigkeitskirche

6 In Regensburg spielt wieder die Musik: ” O-Ton L. Ludwig Hartmann: Wir sind überhaupt froh, dass wir dieses Festival, was eigentlich für 2020 vorgesehen war, jetzt endlich präsentieren können“, sagt Ludwig Hartmann, einer der Leiter der Tage Alter Musik Regensburg. Nach anderthalb Jahren Corona-Pause also endlich wieder Pauken und Barocktrompeten, Gamben und Flöten, mittelalterliche Fidel und gotische Harfe in den wunderbaren Regensburger Kirchen. Europas Top-Festival der Alten Musik findet statt an diesem Wochenende! Und BR-KLASSIK ist dabei, mit demÜ-Wagen und mit dem Tafel-Confect – heute aus dem Studio Regensburg. Eigentlich finden die Tage Alter Musik immer an Pfingsten statt, dieses Mal coronabedingt erst imOktober. Aber für die Alte-Musik-Gemeinde fühlt es sich trotzdem an wie Weihnachten. „Tönet ihr Pauken“ Klingt wie der Eröffnungschor des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach – ist aber der Anfang einer Geburtstagskantate für die sächsisch-polnische Königin Maria Josepha, gesungen und gespielt gestern Abend vom Ensemble Solomon’s Knot – BRKLASSIK hat live übertragen aus der Regensburger Dreieinigkeitskirche. Bachs berühmtes und beliebtes Weihnachtsoratorium – es ist kein Geniestreich aus einem Guss. Vielmehr hat Bach eine Reihe zuvor komponierter Gelegenheitswerke, wie eben diese Geburtstagskantate, recycelt und daraus das Weihnachtsoratorium zusammengebastelt. Das britische Ensemble Solomon’s Knot und sein Leiter Jonathan Sells haben nun diese wenig bekannten Vorlagen – Geburtstagsständchen und Huldigungskantaten – im Konzert gestern Abend vorgestellt. ” O-Ton Jonathan Sells : Die Idee kam sogar von Ludwig Hartmann, er hat gesagt: „Ich will das Weihnachtsoratorium in unserem Festival haben. Wir können das doch nie machen.“ Und dann habe ich gedacht: Ah! Doch, es gibt doch einen Weg, wie wir das BR-KLASSIK „Tafel-Confect“, live von den 36. Tagen Alter Musik Regensburg 10. Oktober 2021, 12.05 – 13.00 Uhr // Autor: Thorsten Preuß Solomon’s Knot in der Dreieinigkeitskirche

machen können. Und das sind halt eben diese weltlichen Kantaten, die Bach ein paar Jahren vorher geschrieben hat und vielleicht schon im Sinne gehabt hat, dass sie wieder verwendet werden könnten in einem ganz anderen Kontext. Die Musik ist sowieso von extremer Qualität. Es wurde eben für Fürsten und Königinnen geschrieben, da ist auch sogar ein Stück, das nachher für die h-MollMesse verwendet wurde, Bach hat wirklich alle Register gezogen. „Preise dein Glücke“ Fantasievoll und funkensprühend: das inzwischen schon dritte Gastspiel von Solomon’s Knot bei den Tagen Alter Musik Regensburg – hier mit einem Ausschnitt aus der Glückwunschkantate „Preise dein Glücke, gesegnetes Sachsen“. Bach hat die Musik später in seiner h-moll-Messe wiederverwendet. Ein ganz anderer Bach stand dagegen gestern Vormittag im Fokus. Das französische Ensemble L’Achéron unter der Leitung von François Joubert-Caillet hatte für sein Konzert Musik von einem entfernten Cousin von Johann Sebastian nach Regensburg mitgebracht. So weit verzweigt war die Bach-Familie, dass Johann Sebastian ihn womöglich nie persönlich kennengelernt hat. Aber er hat immerhin Noten von ihm abgeschrieben, um sie in Leipzig aufzuführen. Der Name des Cousins: Johann Bernhard Bach. ” O-Ton Joubert-Caillet: „Ich kannte ihn auch nicht, aber ich suche immer neue Musik. Und dann habe ich ihn gefunden, und ich fand seine Musik unglaublich schön: sehr anders als die von Johann Sebastian Bach, weil Johann Bernhard Bachs Musik viel mehr im französischen Stil ist. Wir kennen nicht wirklich die Beziehungen zwischen den beiden Cousins, und man könnte denken, vielleicht hat einer den anderen beeinflusst. Ich finde das sehr interessant und eigentlich sehr schön, das zu vergleichen.“ Johann Bernhard Bach: G-Dur Air und Bourrée Eine flotte Bourrée und zuvor das Air von Bach – von Johann Bernhard Bach, gespielt gestern früh vom Ensemble L’Achéron in der Regensburger Dreieinigkeitskirche. Es ist schon spürbar anders als sonst dieses Jahr in Regensburg: Durch das Hin und Her mit den Corona-Vorschriften gibt es empfindliche Lücken in den Zuschauer-Reihen; die beliebte Instrumentenausstellung fällt flacht; und statt einem verlängerten Pfingstwochenende stehen diesmal nur zweieinhalb Tage zur Verfügung für ein üppiges Programm. Am Freitag bedeutete das: Vier Konzerte an einem Abend, zwei davon schon zu nächtlicher Stunde, ein richtiger Marathon. Die Kenner und Fans schreckte das freilich nicht ab. Für sie gehören gerade die Konzerte in der Stille der Nacht jedes Jahr zu den Höhepunkten des Festivals. ” Nachtkonzerte/O-Ton Collage (Gudrun Petruschka): „Also ich finde, gerade diese Nachtkonzerte hier bei den Tagen Alter Musik sind wirklich zum Weinen schön. Sowohl das Ambiente als auch diese Musik, und das haben wir jetzt schon mehrfach hier gehört hier in Regensburg und sind jedes Mal absolut begeistert und berührt. Ich finde die ganz fantastisch, muss ich Ihnen ehrlich sagen, weil, das ist eine ganz besondere Situation, so spät in der Nacht. Ich finde grundsätzlich das Konzept, dass man immer die Musik und die Orte zusammenbringt, dass der Ort immer dem Zeitalter entspricht, wie die Musik ist, ist natürlich total stimmungsvoll. Die Minoritenkirche ist ein ganz schöner Platz. Also freuen wir uns jetzt auch. Ist irgendwie eine andere Stimmung, am Abend, meistens ja solche ruhigen Programme und irgendwie eine andere Atmosphäre. Ich war schon bei einigen Nachtkonzerten hier, auch viele Lichtinstallationen werden abends gemacht zu den Konzerten dazu, und die Verbindung von Musik und Licht ist auch was ganz Besonderes in diesen Nachtkonzerten. Naja, also, das Licht ist anders. Es sind weniger Geräusche, finde ich, als am Tag, zumindest hier in der Kirche. Irgendwo ist es angenehmer. Ganz besonders, hat mich mal in Sankt Jakob nach dem Konzert beeindruckt. Da war eine englische Gruppe da, das war für mich so, ja, wie ein Initialerlebnis, möchte ich sagen.“ Gudrun Petruschka hat sich im Publikum umgehört vor demNachtkonzert vorgestern in der Regensburger Minoritenkirche, und das Publikumwurde auch diesmal nicht enttäuscht – denn es kam ein fantastisches Mittelalter-Ensemble aus Tschechien: die Schola Gregoriana Pragensis. Alleluja Veselite se Musik vom Hof Kaiser Karls des IV., der Prag im 14. Jahrhundert zur Goldenen Stadt machte. Die Schola Gregoriana Pragensis unter der Leitung von David Eben hatte geistliche Musik aus dieser Blütezeit dabei, und die Sopranistin Barbora Kabátková verblüffte mit bezaubernden Minneliedern auf Tschechisch. Tage Alter Musik Regensburg 2021 7

BR Klassik 8 Schola Gregoriana Pragensis, Leitung: David Eben in der Minoritenkirche Hathor Consort, Leitung: Romina Lischka & Dorothee Mields, Sopran in der Dreieinigkeitskirche

Tage Alter Musik Regensburg 2021 9 Otep myrhy Ein tschechisches Liebeslied aus dem 14. Jahrhundert vorgestern bei den Tagen Alter Musik Regensburg: Barbora Kabátková begleitete sich selbst auf der gotischen Harfe. Es ist halb eins, Sie hören das Tafel-Confect, den sonntäglichen Treffpunkt der Alte-Musik-Szene auf BR-KLASSIK, und auch das ist Alte Musik: Sammartini: Finale Gute-Laune-Musik aus dem 18. Jahrhundert: Das Concerto de‘ Cavalieri mit einer Sinfonie von Giovanni Battista Sammartini. Dirigent Marcello di Lisa wollte das Publikum im Regensburger Neuhaussaal begeistern für eine Epoche, um die die meisten Musiker einen Bogen machen, weil sie bloß als eine Zeit des Übergangs gilt: die Frühklassik, also die Epoche zwischen Bach und Haydn. Wer kennt schon Komponisten wie Sammartini, wie Georg Matthias Monn oder wie Georg Christoph Wagenseil? ” O-Ton di Lisa: „Auch, wenn dieser Komponist dem größten Teil des Publikums nicht bekannt ist, denke ich, dass Georg Christoph Wagenseil der Inbegriff vom „Wiener Stil“ ist; gemeinsam mit Georg Matthias Monn. Er ist da wirklich eine Größe am Beginn der klassischen Epoche. Ich denke, es ist schlicht unmöglich, die Wiener Schule ohne Wagenseil zu sehen. Natürlich ist da Mozart, aber der war eben später. Wenn man dem Ursprung dieses Wiener Stils nachspüren will, lässt es sich nicht vermeiden, dass man Wagenseil spielt.“ Wagenseil: Kopfsatz Eine charmante Entdeckung: das Concerto de‘ Cavalieri unter der Leitung von Marcello di Lisa mit Musik von Georg ChristophWagenseil und anderen Komponisten der Frühklassik. Wir bringen den kompletten Konzertmitschnitt übrigens in gut zwei Wochen hier auf BR-KLASSIK, am 28. Oktober im Abendprogramm. ” O-Ton Domspatz Josef: Weil wir so lange Lockdown hatten, freue ich mich jetzt auf dieses Jahr, dass ich endlich wieder ein paar Konzerte singen kann. Ich wünsche mir einfach, dass alles gut geht und dass wir auch nicht so viel falsch singen und uns direkt ans Orchester anpassen können, sagt Josef Krämer von den Regensburger Domspatzen. Man merkt: Die Aufregung war groß bei den Jungs vor ihrem ersten Auftritt mit Orchester nach der CoronaPause. Es ist ja eine schöne Tradition, dass die Regensburger Domspatzen das Eröffnungskonzert der Tage Alter Musik gestalten. Das war auch in diesem Jahr so, und ebenso Tradition ist, dass dazu ehemalige Domspatzen als Gesangssolisten eingeladen werden – diesmal der Tenor Michael Mogl und der Bassist Joachim Höchbauer. Geprobt wurde im Gymnasium der Domspatzen, und dort hat Gudrun Petruschka die beiden zu einem Spaziergang abgeholt, den ein Domspatz vermutlich im Schlaf kennt: den Weg vom Internat, zum Dom, wo der Chor Sonntag für Sonntag singt. Reportage Domspatzen-Spaziergang (Gudrun Petruschka) Joachim höchbauer: Genau hier haben wir uns um 08:10 Uhr aufgestellt, und dann sind Concerto de‘ Cavalieri, Leitung: Marcello di Lisa im Neuhaussaal

BR Klassik 10 Siglo de Oro, Leitung: Patrick Allies in der Minoritenkirche Jonathan Sells, Bass, Jimmy Holliday, Bass, Kate Symonds-Joy, Alt (Solomon’s Knot) in der Dreieinigkeitskirche

wir zum Dom gegangen, verschlafen am Sonntagfrüh. Gudrun Petruschka: Sind Sie noch, oder sind Sie wieder Domspatzen? Oder sind Sie jetzt einfach Sänger? michael mogl: Ich empfinde, ich bin jetzt Sänger. Es ist schön zu sehen, wie sich das Ganze jetzt rückblickend entwickelt hat. Und das ist ein schöner Zeitpunkt, da jetzt mal ein bisschen zurückzuschauen und auch so selber nachzuspüren, was ist da alles passiert, weil es ist eine Menge hier passiert. Da kommt gerade viel rauf, und das ist schön. Joachim höchbauer: Das heißt ja nicht, dass man nicht gern zurückkommt. Aber ich sehe es auch eher so. Ich bin ehemaliger Domspatz, aber das ist nicht die erste Definition, sondern ich bin jetzt einfach Sänger. Aber ich bin gern hier, und es interessiert mich auch, wie es dem Laden so geht. Gudrun Petruschka: Wenn sie jetzt von weit her mal wieder in ihre alte Heimat Regensburg zurückkommen, gibt es da irgendwelche Rituale? Joachim höchbauer: Also jetzt zum Beispiel, wenn man bei den Domspatzen mal ist, dann geht man normalerweise schnell in den Supermarkt daneben und kauft sich, weil, die gibt es immer, noch die Leberkässemmeln vom Baumann. michael mogl: Hast Du das gemacht? Joachim höchbauer: Ja, ja. michael mogl: Ich war heute ein bisschen früher dran vor der Probe und war da ein bisschen da und habe das einfach so auf mich wirken lassen. Und das war jetzt auch nur mal eine schöne Zeit für mich, einfach, um so ein bisschen das nachwirken zu lassen. Und das hat mir gutgetan.“ Gudrun Petruschka: Jetzt machen sie dieses Konzert mit Christian Heiß. Das ist der neue Domspatzen-Leiter. michael mogl: Ich kenne den Christian auch schon aus seiner Zeit in Eichstätt. Ich habe da paarmal was mit ihm machen können/dürfen. Von daher ist es für mich nichts Neues. Ich habe mich sehr, sehr gefreut, mit ihm zusammenzuarbeiten, weil ich finde ihn als Mensch und als Musiker, so einen angenehmen, sensiblen Menschen, wo vieles möglich ist. Also ich habe ein sehr, sehr gutes Gefühl; finde ich ganz wunderbar. Gudrun Petruschka: Jetzt hier der Blick auf den Dom. Welche Erinnerungen werden da wach? michael mogl: Einfach viel Zeit dort zu verbringen, nicht nur jeden Sonntag, sondern auch zu den Feiertagen. Das heißt, das war eigentlich fast schon wie ein Wohnzimmer für uns. Joachim höchbauer: Also etwas profaner bei mir, war es natürlich imMännerchor, halb neun in der Früh am Sonntag antanzen, mit bisschen Kopfweh und ein bisschen wenig Schlaf. Das würde jetzt sagen, ist momentan die Assoziation, die ich hier an dieser Stelle habe. Joachim Höchbauer erinnert sich ans frühe Aufstehen am Sonntag. Er und Michael Mogl haben bei einem Spaziergang ihre Schulzeit bei den Regensburger Domspatzen Revue passieren lassen. Und hier sind sie zu hören, zusammen mit ihren Domspatzen. Mozart: Sanctus Die Regensburger Domspatzen sowie Katja Stuber, Anne Bierwirth, Michael Mogl, Joachim Höchbauer und die Hofkapelle München unter der Leitung von Christian Heiß mit Mozarts Kleiner Credomesse. Ein Konzert wie dieses vorgestern Abend bei den Tagen Alter Musik Regensburg mit all seinen uns so selbstverständlichen Ritualen – mit Musikern auf einem Podium, mit Hunderten von Zuschauern, mit Tickets, Programmheften, Applaus – das alles gab es im Mittelalter noch nicht, sagt der Alte-MusikExperte und Fidel-Spieler Baptiste Romain. ” O-Ton Romain: Ganz viel wurde privat gemacht. Die Leute haben bei sich musiziert am Hof, mit ein paar Zuhörern vielleicht oder auch einfach für sich. Das ist die wichtigste Musikpraxis der Zeit. Man macht Musik, wenn man selber musiziert. Mit seinem Ensemble Le Miroir de Musique hat Baptiste Romain eine der bedeutendsten Quellen mittelalterlicher Musik wieder zum Klingen gebracht: den Chansonnier de St Germain des Près, eine Handschrift aus dem frühen 13. Jahrhundert, das älteste Zeugnis überhaupt für die Musik der Troubadoure und der Trouvères. Wie kann man sich dieser fernen Kultur überhaupt annähern? ” O-Ton Romain: Es ist mir völlig klar, dass das, was wir machen, für ein heutiges Publikum ist. Jedoch möchte ich, dass die Prozesse irgendwie ähnlich sind. Wir haben natürlich ganz andere Mittel. Wir singen in einer sehr großen Kirche. Die Instrumente, die wir haben, sind Nachbauten. Die sind auch für diese großen Kirchen, für diese moderne Konzertwelt konzipiert. Aber sie respektieren hoffentlich die Denkweise des Mittelalters. Das Gleiche machen wir mit dem Prozess, wie in einem oralen Entwicklungsprozess: Texte lesen, Melodien lernen, irgendwann kommen wir zumMusizieren. Wir brauchen auch keine Noten mehr. Das sind ganz langsame Lernprozesse, die uns irgendwann eine gewisse Freiheit geben. Molt ai estat Gestern Abend kurz vor Mitternacht: Applaus in der Regensburger Minoritenkirche für das Ensemble Le Miroir de musique und ein Lied des okzitanischen Troubadours Perdigon vom Beginn des 13. Jahrhunderts. Die Tage Alter Musik Regensburg – sie gehen heute Abend zu Ende mit dem Ensemble la Tage Alter Musik Regensburg 2021 11 David Eben, Leiter der Schola Gregoriana Pragensis in der Minoritenkirche

festa musicale, einem jungen Barockensemble aus Hannover unter der Leitung der Geigerin Anne Marie Harer. Die ist jetzt gerade noch auf dem Weg nach Regensburg, aber ich habe vor der Sendung mit ihr telefonieren können und Sie gefragt, was sich hinter dem Titel ihres Konzerts verbirgt: „Die drei Fragezeichen und der große Bach.“ anne marie harer: Die drei Fragezeichen, das sind in diesem Fall Steffani, Venturini und Valentini. In Hannover kennt man den Steffani, da ist er nicht so ein großes Fragezeichen. Aber ich vermute, in Regensburg sieht das schon wieder anders aus. Das ist sozusagen unser Local Hero der Barockzeit, der hier am Hannoverschen Hofe Hofkapellmeister war und fantastische Musik geschrieben hat. Und als zweiten Komponisten haben wir den Kollegen, der war Konzertmeister unter Steffani und dann auch sein Nachfolger: Francesco Venturini, dem wir schon unsere erste CD gewidmet haben. Eine erfolgreiche CD kann man sagen? anne marie harer: Ja, genau, deshalb dürfen wir ja auch nach Regensburg kommen. Das war wunderbar, die haben das gehört und haben uns deshalb eingeladen. Diese Musik möchten wir natürlich auch deutschlandweit verbreiten und werben für diesen total spannenden hannoverschen eigenen Stil. Da sind einfach sehr unterschiedliche Musikrichtungen zusammengestoßen am hannoverschen Hof, französische, italienische und deutsche Musik. Der europäische Gedanke schon sozusagen im achtzehnten Jahrhundert. anne marie harer: Genau Jetzt haben Sie gesagt, Steffani, Valentini, Venturini sind drei unbekannte Komponisten. Man könnte natürlich jetzt auch vermuten, es wird schon seinen Grund haben, wenn diese Namen bei vielen Musikliebhabern nur drei Fragezeichen provozieren. Worin liegt für Sie der Reiz oder der Nervenkitzel, die Spuren solcher Komponisten zu verfolgen? anne marie harer: Ach, ich denke, es ist ganz, ganz wichtig, irgendwie auch die unbekannteren Komponisten zu spielen und auszugraben. Und uns macht es wahnsinnig viel Freude, diese Musik zu spielen. Und wir kriegen auch im Konzert wirklich die Rückmeldung: „Oh, diesen Valentini!“ (Der ist aus Rom, also italienische Musik.) „Was war das denn für ein Stück? Also emotionaler geht das ja gar nicht!“ Und niemand kennt ihn, oder wenige kennen ihn. Und beim Venturini kriegen wir auch so eine schöne Rückmeldung. Also ja, haben schon das Gefühl, es lohnt sich total. Sie haben schon angedeutet, sie haben von Venturini eine Ouvertüre mitgebracht, die auch auf der CD zu hören ist. Was mögen Sie gerade an diesem Stück? anne marie harer: Das spielen wir jetzt in einer Version mit zwei Flöten. Ich werde von der Geige dann auf die Blockflöte umspringen. Auch das gehört bei uns im Ensemble dazu, dass viele mehrere Instrumente spielen, und ich bin auch so einer. Das sind ganz wunderbare, unterschiedliche Tanz-Sätze. Vielleicht auch Partymusik, zu der man bisschen tanzen kann … anne marie harer: Ein bisschen Partymusik ist auf jeden Fall auch dabei genau, aber auch eine wunderbar träumerische Sarabande, die wie so ein Canon geschrieben ist, ganz kreative, kurze, bündige Sätze. Sie hat uns schon den Mund wässrig gemacht: Anne Marie Harer vom Ensemble la festa musicale. Heute Abend um 19 Uhr 30 treten sie in der Regensburger Dreieinigkeitskirche auf, und für Kurzentschlossene gibt es noch Restkarten an der Abendkasse. Im Hintergrund läuft als kleiner Vorgeschmack schon Musik von Venturini, und damit soll unser Tafel-Confect zu den Tagen Alter Musik heute auch ausklingen. Die BRKLASSIK-Tonmeister Eckhard Glauche, Sebastian Braun und Clemens Deller sowie Justus Beyer vomDeutschlandfunk und ihre jeweiligen Teams haben die Konzerte mitgeschnitten, und die Interviews hat Gudrun Petruschka gemacht. Einen schönen Sonntagnachmittag wünschen Christine Bauer an den Reglern im Studio Regensburg und am Mikrofon Thorsten Preuß. Venturini: Ouvertüre e-moll BR Klassik 12 la festa musicale in der Dreieinigkeitskirche (Abschlusskonzert)

Tage Alter Musik Regensburg 2021 13 Hathor Consort, Leitung: Romina Lischka & Dorothee Mields, Sopran in der Dreieinigkeitskirche Kiya Tabassian (Constantinople) Anna Besson (A nocte temporis)

14

Tage Alter Musik Regensburg 2021 15 Marco Beasley, Gesang & Constantinople, Leitung: Kiya Tabassian in der Dreieinigkeitskirche A&A cembalo duo (links: Anna Kiskachi, rechts: Anastasia Antonova) in der Basilika St. Emmeram

16 Seit September 2019 ist Christian Heiß nun Regensburger Domkapellmeister und damit Leiter der Regensburger Domspatzen, und doch konnte er erst jetzt sein Debüt bei den „Tagen Alter Musik“ geben. Wegen der Corona-Pandemie hatten die Veranstalter des renommierten Regensburger Festivals die jährlich an Pfingsten stattfindende Konzertreihe 2020 und 2021 absagen müssen. In diesem Jahr konnte man die Reihe in einer drei- statt viertägigen Version auf den Herbst verlegen. So fanden die 36. Regensburger Tage Alter Musik nun vom 8. bis 10. Oktober statt, und Christian Heiß konnte mit seinen Domspatzen in Zusammenarbeit mit der Hofkapelle München das Eröffnungskonzert am Freitag gestalten. Da im Publikum Abstände eingehalten werden mussten, das Platzangebot also begrenzt war, fand das Eröffnungskonzert in der Dreieinigkeitskirche gleich zweimal hintereinander statt. Kompositionen von Johann Sebastian Bach undWolfgang Amadeus Mozart hatten sich die Verantwortlichen für dieses gut einstündige Konzert ausgesucht. VonMozart kamen Werke zur Aufführung, in denen sich der Star der Wiener Klassik an die kontrapunktische Kompositionstechnik der vorangegangenen Barockepoche anlehnte. Zu Beginn vernahmman aber erst einmal die original-barocken Klänge aus Bachs „Ricercar à 6“ aus dem berühmten „Musikalischen Opfer“ (BWV 1079). Die Instrumentalisten der unter der Leitung von Konzertmeister Rüdiger Lotter stehenden Hofkapelle München gingen das Werk mit einem angemessen gemäßigten Tempo an und konnten den kontrapunktischen und imitatorischen Strukturen dadurch beeindruckende Transparenz verleihen. Selbiges gilt für Bachs darauffolgende Choralbearbeitung „Wohl mir, dass ich Jesum habe/Jesum bleibet meine Freude“ aus der Kantate „Herz und Mund und Tat und Leben“ (BWV 147). Hier trugen auch die vier souverän agierenden Gesangssolisten Katja Stuber (Sopran), Anne Bierwirth (Alt), Michael Mogl (Tenor) und JoachimHöchbauer (Bass) zu einem transparenten Klangbild bei. Danach folgte Mozarts Missa brevis in F-Dur, die durch zwei kurze Instrumentalwerke und die ebenfalls von Mozart stammende Offertoriumsvertonung „Misericordias Domini“ (KV 222) ergänzt und bereichert wurde. Die coronabedingt in einem etwas kleineren Chor agierenden Domspatzen intonierten ihre Partitur vorbildlich rein und folgten Christian Heiß, der Chor und Orchester gleichermaßen gut imGriff hatte, auch in die Dynamik-Nuancen. Beeindrucken konnte vor allem auch die Sopranistin Katja Stuber, die beispielsweise im Kyrie der Messe durch ihre sauber genommenen Koloraturen aufhorchen ließ. Insgesamt ergänzten sich alle Ausführenden unter der Gesamtleitung von Heiß auf beeindruckende Weise. Zum hervorragenden Gesamteindruck trug auch die in die Messe eingestreute Kirchensonate in C-Dur (KV 336) bei, in welcher Andreas Westermann auf der Truhenorgel alle Virtuositäten mit Bravour ausführte. Kleinerer Chor, ganz großer Klang Regensburger Tage Alter Musik: Das Eröffnungskonzert der Domspatzen mit der Hofkapelle München Von Stefan Rimek Die Regensburger Domspatzen & die Hofkapelle München in der Dreieinigkeitskirche (Eröffnungskonzert)

Tage Alter Musik Regensburg 2021 17 Drei Fragezeichen und der große Bach“ hieß das Motto der Abschlussveranstaltung ‘der diesjährigen Regensburger Tage Alter Musik. Dahinter verbarg sich ein sehr hörenswertes Konzert des norddeutschen Barockensembles „La festa musicale“, das mit drei vergessenen Barockkomponisten als die „drei Fragezeichen“ den Abend einleitete. Die drei Komponisten dürften dem allgemeinen Konzertpublikum so gut wie unbekannt sein, hört man doch sogar in der Musikwissenschaft nur selten von ihnen. Das hat das Ganze aber auch interessant und viele Besucher inklusive Fachpresse neugierig gemacht. So wirkte Agostino Steffani (1654 - 1728) am Hof in Hannover. Seine nun aufgeführte Chaconne entstammt seiner 1689 zur Einweihung des Hannoverschen neuen Theaters im Leineschloss uraufgeführten Oper „Henrico Leone“. Das in Hannover beheimatete Ensemble nahm sich dieses ruhigen Tanzes mit einem angemessen langsamen Tempo an und zeigte bereits hier, dass es sich mit der Aufführungspraxis und der Struktur von Barockkompositionen beschäftigt hat. Die Stücke waren damals schon recht experimentell Die Musikpflege am Hannoverschen Hof war in der Barockzeit in ganz Europa berühmt und anerkannt. Hier wirkten hochkarätige Komponisten und Instrumentalisten, darunter Georg Friedrich Händel und auch Francesco Venturini (1675 bis 1745), dessen „Ouverture à 5“ in e-Moll zur Aufführung kam. Hier beeindruckte besonders das Herausstellen der spielerischen Leichtigkeit in der Gavotte und die lebendige Spielfreude in den schnellen Sätzen. Der zeitweilige Instrumentenwechsel der Konzertmeisterin Anne Marie Harer von der Violine zur Blockflöte brachte eine Bereicherung der Klangfarben. Der dritte im Bunde der Unbekannten war Giuseppe Valentini (1681 bis 1753), der im Italien des Barock bekannt und sehr geachtet war. Leider vergaß später die Musikwelt seine Werke und ihn selbst nahezu völlig. Das ist besonders schade, weil seine Kompositionsweise für seine Zeit sehr innovativ war und er auch hier und da mit etwas außergewöhnlicheren Harmonien experimentierte. Das beweist auch sein „Concerto à quattro in a-Moll op. 7“. Die Musiker verliehen den langsamen Sätzen eine packende emotionale Tiefe, auch durch die am Cembalo kreativ ausgelegten Generalbassakkorde. Die teils an Vivaldi erinnernden Virtuositäten setzte das Ensemble fingertechnisch exakt und mit fesselnder Leidenschaft um. Das gilt auch für die abschließend interpretierte, weltbekannte Orchestersuite Nr. 2 in h-Moll (BWV 1067) von Johann Sebastian Bach. In der Battinerie zeigte Querflötist Brian Berryman, mit welcher Virtuosität er agieren kann. Dass dabei das schnelle Tempo des Satzes vielleicht ein bisschen übertrieben wurde, macht nichts, schließlich erwarten große Teile des Publikums hier immer auch ein wenig die virtuose Effekthascherei. Der lange und intensive Applaus in der Dreieinigkeitskirche wurde mit einer Wiederholung der energiegeladenen Gigue aus Venturinis „Ouverture à 5“ als Zugabe belohnt. Erinnerung mit Leidenschaft Das Barockensemble „La festa musicale“ beendet mit drei vergessenen Komponisten die Tage Alter Musik in Regensburg Von Stefan Rimek la festa musicale in der Dreieinigkeitskirche (Abschlusskonzert) Brian Berryman, Traversflöte

18 Sarah Ridy, Harfe (A nocte temporis) Reinoud Van Mechelen, Tenor (A nocte temporis)

19 Publikum im Reichssaal beim Konzert von Il Festino Dagmar Saskova, Gesang (Il Festino) Barbara Kusa, Gesang (Il Festino)

20 Rezensionen und Berichte aus der Mittelbayerischen Zeitung REGENSBURG. Es hätte nicht viel gefehlt und die Tage Alter Musik wären im zweiten Jahr in Folge der Pandemie zum Opfer gefallen. Stephan Schmid, Ludwig Hartmann und Paul Holzgartner blieb wie vielen Veranstaltern nichts anderes übrig, als die Nerven nicht zu verlieren, beständig umzuplanen und neu zu disponieren. Ein weiteres Jahr auf eines der renommiertesten Festivals für Alte Musik zu verzichten, war jedoch keine Option. Als Mitte April 2021 erneut die Konzerte am Pfingstwochenende abgesagt werden mussten, hatten die Macher bereits Plan B in der Tasche – und damit auch die Hoffnung, dass sich die pandemische Lage in der zweiten Jahreshälfte entspannt. Der Mut wurde belohnt. Wenn am kommenden Freitag die Regensburger Domspatzen die Festivaltage in der Dreieinigkeitskirche zusammen mit der Hofkapelle München mit Bach und Mozart eröffnen, dann beginnen drei Tage im Oktober, randvoll mit insgesamt 13 Konzerten exquisiter Solisten und Spezialisten der Alten Musik. In den Vorworten zum Programmheft äußern sich der bayerische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst Bernd Silber, die Regensburger Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer sowie Oswald Beaujean, Leiter Programmbereich BR-Klassik erleichtert, dass das Festival nicht noch ein weiteres Jahr pausieren muss. Was fehlt, ist lediglich ein vierter Konzerttag, üblicherweise enden die Tage Alter Musik am Pfingstmontag. Auch fehlt die traditionelle Instrumentenausstellung im Salzstadl sowie der mittlerweile etablierte Kurstag an der Hochschule für katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik. Dass erst vor kurzem die Hygieneund Abstandsregeln noch einmal gelockert wurden, hat jedoch zusätzliche Kartenkontingente ermöglicht. Für bereits als ausverkauft deklarierte Veranstaltungen können wieder Karten erworben werden. Was nicht unter der Pandemie gelitten hat, ist die superbe Künstlerauswahl von Hartmann, Schmid und Holzgartner. Bereits am ersten Konzerttag lockt das belgische Ensemble A Nocte temporis mit ihrem Programm „The Dubhlinn Gardens“ in den Neuhaussaal mit einem Repertoire irischer Volkslieder des 18. Jahrhunderts. Neben demNachtkonzert am Freitag mit Dorothee Mields und dem Hathor Consort (Belgien) darf am Samstag das Konzert der britischen Solistenformation von Solomon’s Knot mit weltlichen Bachkantaten zu den Höhepunkten gezählt werden. Die englischen Sänger und Instrumentalisten begeisterten in ihrer exaltierten Kleinstbesetzung schon 2017 mit einer atemberaubenden, im Rückblick fast legendären Aufführung von Händels Messiah in der Dreieinigkeitskirche. Ludwig Hartmann selbst freut sich besonders auf das Konzert der beiden russischen Cembalistinnen Anastasia Antonova und Anna Kiskachi mit ihrem Programm „Danse Macabre“ in St. Emmeram. Besonders eindrucksvoll dürfte in seiner Vielfalt und Anmut auch das Konzert am Sonntag Nachmittag von Konstantinople aus Kanada mit „Dalla porta d’Oriente – das Tor des Ostens“ werden. Neu gegründet hat sich im Sommer „der Verein der Freunde und Förderer der Tage Alter Musik“. Damit eröffnet sich neben dem Kartenkauf auch eine grundsätzliche Plattform zum Erhalt des Festivals. „Wir haben im vergangenen Jahr eine große Solidarität unseres Publikums erfahren“, so Hartmann, „die zugunsten der Künstler auf die Rückerstattung der Karten verzichtet oder sogar Geld überwiesen haben. Die Gesamtsumme hat uns in ihrer Höhe überrascht und kam im vollen Umfange den Künstlern zugute, denen wir absagen mussten.“ Auch das hohe Interesse der Rundfunkanstalten ist ungebrochen. So wird der Bayerische Rundfunk insgesamt fünf Konzerte aufzeichnen (darunter die Live-Übertragung des Konzerts von Solomon’s Knot), der Deutschlandfunk zwei Konzerte. Am 10. Oktober um 10.05 Uhr wird der BR seine Sendung „Tafel-Confect“ direkt aus dem BRStudio Regensburg übertragen. Schmerzlich, dass neben der großen Dominikanerkirche nun auch in der St.-OswaldKirche die Sanierungsarbeiten begonnen haben. So wird ein weiterer zentraler und beliebter Konzertort in den nächsten Jahren fehlen. Es bleibt weiterhin spannend für die drei nervenstarken Veranstalter! (mqv) Tage Alter Musik starten mit Bach und Mozart Die Konzertreihe wagt am kommenden Wochenende den Neuanfang Die Cembalistinnen Anna Kiskachi & Anastasia Antonova in der Basilika St. Emmeram Vorbericht

Tage Alter Musik Regensburg 2021 21 :#!#=9)7:!G 0T% _@)V%h &%h E@X% 8QP%h _MgTR X%=%; ;T)VP @Mm. ^@)V&%< &@g ,%gPTK@Q' K9; [%X%;g=MhX V%TW X%U QT%=P M;& T;P%h;@PT9;@Q =%hLV<P' HJ%TU <@Q T; ,9QX% @Mgm@QQ%; <MggP%' g9QQ %g S%PHP T< ]RP9=%h RQ@33%;. B9h@; @QQ%g ;9)V V?;XP' %hH?VQP `M&JTX *@hP<@;; K9<C%h@;gP@QP%hUE%@<. c<<%h @; \mT;XgP%; gT;& T; [%X%;gU =MhX g3%HT%QQ% +?gP% M;P%hJ%Xg( T;P%hU ;@PT9;@Q% aL;gPQ%h M;& TVh% ,@;g @Mg @QQ%hB%QP. 0T% E@X% 8QP%h _MgTR 1E8_/ Q@gg%; [%X%;g=MhX S%&%g b@Vh Q%M)VP%; " ;T)VP T< _@T NGNG @QQ%h&T;Xg M;& @M)V ;T)VP T<_@T NGN5. 0T% \@;&%<T% Xh?Pg)VP% T;g \h9Xh@<<f mLh 4%gM)V%h' F?;X%h M;& c;gPhM<%;P@QTgP%; J@h%; &T% 4%g)Vh?;RM;X%; HM V9)V. b%PHP ;%V<%; &T% _@)V%h `M&JTX *@hPU <@;;' FP%3V@; F)V<T& M;& \@MQ *9QHU X@hP;%h &%; &hTPP%;8;Q@Mm. 5O a9;H%hP% <TP %P@=QT%hP%; FP@hg M;& SM;X%; E@Q%;P%; mT;&%; K9< #. =Tg 5G. ]RP9=%h T; [%X%;g=MhX%h aTh)V%; M;& F?Q%; gP@PP. kAM V7h%; TgP &T% X@;H% 4@;&=h%TP% K9< _TPP%Q@QP%h =Tg aQ@gU gTRj' M<h%TWP `M&JTX *@hP<@;; @< 09;;%hgP@X. CT%Q% aL;gPQ%h J@h%; =%U h%TPg mLh \mT;XgP%; NGN5 X%3Q@;P' @QQ%; K9h@; ;@PLhQT)V &T% 09<g3@PH%;' &T% HM< 8MmP@RP Ph@&TPT9;%QQ &T% 0h%T%T;TXU R%TPgRTh)V% =Tg @Mm &%; Q%PHP%; \Q@PH mLQQ%;. 4Tg @Mm &%; Q%PHP%; \Q@PH( c< *%h=gP NGN5 =%&%MP%P &@g N#G AMV7h%h T; &%h aTh)V%' &T% g9;gP #ZG _%;g)V%; m@ggP. kBTh J9QQP%; X%h; %T;% ZGU\h9H%;PU `7gM;X' @=%h &@g JTh& J9VQ R@M< RQ@33%;j' h?M<P *@hP<@;; %T; M;& g)V@MP g%V;gL)VPTX ;@)V 4@&%;UBLhPU P%<=%hX' J9 @= _9;P@X JT%&%h a9;U H%hP% K9h K9QQ%< *@Mg <7XQT)V gT;&. 0T% [%X%;g=MhX%h &@X%X%; 3Q@;%; <TP 5'Z _%P%h; 8=gP@;&' @M)V J%;; &@g &h@<@PTg)V J%;TX%h ET)R%Pg =%&%MP%P M;& mLh ,@;g &T% 2V@;)% @Mm &%; _MU gTRX%;Mgg %<3mT;&QT)V g)V<?Q%hP. c; &%h _T;9hTP%;RTh)V% %PJ@ gT;& R;@33 5eG 4%gM)V%h X%gP@PP%P' T< [%T)Vgg@@Q g9X@h ;Mh :G. 7/DIFEDBD,C/6 A-0 )C/K 0T% ,%gPTK@Q<@)V%h =@M%; @Mm &%; 4M;& M;& g%T;%; aMQPMhm9;&g' &%h 8MgU m@QQH@VQM;X%; HMX%gT)V%hP V@P' m@QQg aMQPMhK%h@;gP@QPM;X%; 3@;&%<T%=%U &T;XP @Mm 4%gM)V%h K%hHT)VP%; <Lgg%;. k0T%g% D;P%hgPLPHM;X =h@M)V%; JTh @M)Vj' g@XP *@hP<@;; M;& K%hJ%TgP @Mm hM;& dGGG ET)R%Pg' &T% &@g ,%gPTK@Q T; ;9h<@Q%; b@Vh%; K%hR@MmP. 0@g E8_UEhT9 <@)VP gT)V @Mm @QQ%g X%m@ggP. k-g R@;; gT)V @QQ%g S%&%hH%TP ?;U &%h;j' g9 *@hP<@;;' @M)V HM< +MP%; L=hTX%;g. b% ;@)V&%<' JT% 4@I%h; T< ]RP9=%h &T% 0h%TU+U[%X%Q @;J%;&%P' @QU g9( &%; AMX@;X mLh +%T<3mP%' +%;%g%;% M;& +%P%gP%P%' R7;;P%; @M)V <%Vh a@hP%; @Qg @RPM%QQ R@QRMQT%hP T; &%; C%hR@Mm X%V%;. 0T% 09<g3@PH%;' S%&%g b@Vh %T; +Q@;H3M;RP HM< 8MmP@RP' mLVh%; <TP &%h _L;)V;%h *9mR@3%QQ% %T; 4@)VU 3h9Xh@<< @Mm' M< 5e.OG M;& M< NG DVh. AM V7h%; TgP _MgTR mLh &T% F%%Q%' ETP%Q( k*9mm;M;X PhTmmP AMK%hgT)VPj " R%T; g)VQ%)VP%g _9PP9 mLh %T; ,%gPTK@Q M;P%h @RPM%QQ%;D<gP?;&%;. 0%h =%hLV<P% 2V9h J@h =%h%TPg X%U g%PHP' @Mg &%; HJ%T C9hQ?Mm%hU\h9Xh@<U <%; R9;;P%; KT%Q% J%TP%h% -;g%<=Q%g L=%h;9<<%;J%h&%;( &T% F)9Q@ +h%X9U hT@;@ @Mg \h@X' &@g =%QXTg)V% *@PV9h 29;g9hP' `i8)V$h9; @Mg ,h@;Rh%T)V' 29;)%hP9 &%i 2@K@QT%hT @Mg cP@QT%;' &@g =hTPTg)V% -;g%<=Q% F9Q9<9;ig a;9P' `% _Th9Th &% _MgTlM% @Mg &%h F)VJ%TH' FTXQ9 &% ]h9 @Mg -;XQ@;&' 29;gP@;PT;9U 3Q% @Mg a@;@&@ M;& cQ ,%gPT;9 @Mg ,h@;Rh%T)V. HC/6I (31KI KIF )&F-"2E,I/I ^%M T< \h9Xh@<< gP%V%; &@g =%QXTU g)V% -;g%<=Q% 8 ^9)P% E%<39hTg' &@g hMggTg)V% 8 > 8 2%<=@Q9 0M9 M;& HM< 8MgRQ@;X &@g -;g%<=Q% `@ ,%gP@ _MgT)@Q% @Mg *@;;9K%h' &@g &%< Xh9U W%; 4@)V B%hR% K9; A%TPX%;9gg%; X%U X%;L=%hgP%QQP. 0T% ^9h&&%MPg)V%; X%U V7h%; HM &%; V9)VP@Q%;PT%hP%; SM;X%; BTQ&%; &%h 4@h9)RgH%;% M;& gP%V%; @Qg 4%Tg3T%Q mLh &@g ^?g)V%;' &@g &T% [%U X%;g=MhX%h ,%gPTK@Q<@)V%h T<<%h JT%&%h =%J%Tg%;. *@hP<@;;( k0T% gT;& X%h@&% @Mm &%<F3hM;X.j 0@g FP@<<3M=QTRM< <Mgg T< ]RU P9=%h <TP %T;TX%; 6;&%hM;X%; T< X%U J9V;P%; 8=Q@Mm h%)V;%;' %PJ@ =%T &%; 8;m@;XgH%TP%; &%h a9;H%hP%. 0T% Ph@&TU PT9;%QQ% 8MggP%QQM;X K9; c;gPhM<%;U P%; M;& ^9P%; m?QQP &T%g%g _@Q mQ@)V M;& &T% C%h@;gP@QP%h 3@gg%; TVh% *IXT%U ;%Ua9;H%3P% Q@Mm%;& @;. 0%h C9hK%hU R@Mm &%h ET)R%Pg gP@hP%P @<_9;P@X 15d. 8MXMgP/ M< :.OG DVh =%T 9RPT)R%P 1JJJ.9RPT)R%P.&%/ M;& T< ,%gPTK@Q=LU h9' E%Q%m9; 1G: Y5/ e GY GG eN. k*9mm%;PU QT)V RQ@33Pig &T%g<@Qj' g%MmHP `M&JTX *@hP<@;; @< E%Q%m9;' M;&( k0hL)R%; Fi M;g &T% 0@M<%;!j %,$#'-") &'((# &,!,& +&)"!* >79J@8<_9;P@X =%U XT;;P &%h C9hK%hR@Mm mLh &T% E@X% 8QP%h _MgTR. \Q?PH% gT;& &T%g%g _@Q h@h M;& %T;TX% ,h@X%; ;9)V 9mm%;. *<= >+:J+==# 9;#:) +/&ED&E3& +/D-/-A& C/K +//& @3E2&"53M I3/ FCEE3E"5IE 'I0$&1-4%C-M 6&ED3IFI/ &0 .G <2D-$IF 3/ KIF )&E3132& 9DG #00IF&0G 8464* 0!27!/ 2#05!6043 ! BThJ9QQP%; X%h; %T;% ZGU\h9H%;PU`7gM;X' @=%h &@gJTh&J9VQ R@M<RQ@33%;.j ?7%(J! L+:8>+== 8&.,$(-"(&1-9.,-",&1 ')1 0--"+&"&%)9% Vorbericht

Mittelbayerische Zeitung 24

Tage Alter Musik Regensburg 2021 25

Mittelbayerische Zeitung 26 Siglo de Oro, Leitung: Patrick Allies in der Minoritenkirche

Tage Alter Musik Regensburg 2021 27 Le Miroir de Musique, Leitung: Baptiste Romain in der Minoritenkirche A&A cembalo duo Barbora Kabátková, mittelalterliche Harfe

Mittelbayerische Zeitung 28 Constantinople, Leitung: Kiya Tabassian & Marco Beasley, Gesang in der Dreieinigkeitskirche Anna Kiskachi vom A&A cembalo duo in der Basilika St. Emmeram

Tage Alter Musik Regensburg 2021 29 REGENSBURG. „Ein anmutiges schwarzes Mädchen ist Maria…“ – „Das kann nicht sein!“ Was die zwei Sopranistinnen da einander im Reichssaal entgegenschleudern, ist keine Vertonung einer identitätspolitischen Debatte im religiösen Zusammenhang; vielmehr hat der peruanische Kompo-nist Juan de Araujo offenbar einen augenzwinkernden Dialog darüber vertont, an welchen äußerlichen Vorstellungen sich verschiedene Formen populärer Marienverehrung orientieren können. Leider war dem Programmheft weder über die Hintergründe dieses oder der anderen gesungenen Texte noch über die kaum geläufigen, in Südamerika aktiven oder zumindest gespielten Komponisten des 17. und frühen 18. Jahrhunderts etwas zu entnehmen. Auch die wenigen Informationen, die das französische Ensemble Il Festino mündlich ans Publikum weiterzugeben versuchte, kamen akustisch nicht wirklich an. So hielt man sich an die ausgeteilten Blätter und versuchte die vor allem bei den vielen Hochgeschwindigkeitsnummern ziemlich verhuschte Spanisch-Artikulation von Dagmar Saskova und Barbara Kusa mit dem Abgedruckten übereinzubringen. Deren vitale, klangschöne Auseinandersetzung mit den weltlichen und auch bei geistlichen Themen oft folkloristischen Stücken war sympathisch, bisweilen aber auch etwas pauschal. Reizvoll wurde es dort, wo die beiden Gesangslinien einmal auf schöne harmonische Abwege kamen, wie sie etwa JoséMarin für murmelnde Bäche und eifersüchtige Träne nangelegt hat. Mit einer Hymne auf die Liebe als Verrücktheit (Henry Du Bailly) war Dagmar Saskova die schönste Solonummer vorbehalten. Zunächst nur mit Nanja Breedijks spanischer Harfe begleitet, kam dieses feine Instrument – eine Solo-Fantasie von Luys Milán war vorausgegangen – endlich einma lvoll zur Geltung. Ansonsten verschwand es als reine Klangfarbe tendenziell hinter den Gitarren und der Laute von Ensembleleiter Manuel de Grange und Victorien Disse. Einige Instrumentalnummern wurden als Einleitungen zu den folgenden gesungenen Stücken umgedeutet, was dem ansonsten kleinteilig durch Applaus unterbrochenen Programm ein wenig Fluss verlieh. Einen netten Scherz erlaubte sich Manuel de Grange dabei mit Santiago de Murcias „Cumbees“, indem er ganz selbstverständlich einige Folk-Pop-Akkorde einstreute. Für perkussiven rhythmischen Drive sorgte Laurent Sauron mit virtuosem Geklöppel zwischen Fell und Rahmen seiner Trommel. Die Krone für die schönste Textverschlingung bei der Gesangsstimmen trug am Ende Tomás de Torrejóny elasco davon. Er hat die Klage einer nach dem Tod des geliebten Zurückgebliebenen so vertont, dass das „Ja“ und das „Nein“ zu einemWeiterleben ohne ihn gleichzeitiger klingen. Dabei spielter mit der Doppelbedeutung des spanischen „si“, das sowohl „ja“ als auch „wenn“ bedeutet. Ambivalenzen aushalten, würde man heute sagen. Mit „Il Festino“ ins barocke Südamerika Il Festino, Leitung: Manuel de Grange im Reichssaal

30 Barbora Kabátková vor dem Konzert in der Minoritenkirche Thierry Gomar, Perkussionist von Le Miroir de Musique

31 Schola Gregoriana Pragensis, Leitung: David Eben in der Minoritenkirche

32 12. Oktober 2021 // Autor: Uwe Mitsching REGENSBURG – Es fängt schön deftig an: mit einer Huldigung an die weiblichen Sexualorgane. Angeblich können die „black“ oder „white“ sein, aber „alle Männer lieben sie“. Eine Aufzählung, welche Mannsbilder sich an der „blackjoke“ versucht haben, bekam man gedruckt in die Hand gedrückt: „The first came in was an Englishboy.“ „Die Tage Alter Musik“ holten damit in Regensburg frech ihr Pfingstprogramm von 2021 nach, und bei dem hatte man wie immer die Qual der Wahl: allein am Eröffnungstag unter vier Konzerten bis in die tiefe Nacht und dort mit „Herzenstrost wider den sorgenteuffel“. Die deftige Huldigung an die Weiblichkeit hatte zuvor Premiere im Neuhaussaal und hieß „The Dubhlinn Gardens. Bearbeitungen irischer Volkslieder im 18. Jahrhundert“. Reinaud van Mechelen legte als Sänger und mit seiner belgischen Truppe „A Nocte Temporis“ in aller wünschenswerten eindeutigen Zweideutigkeit los. Ein bisschen Flöte und Harfe (klassisch und keltisch) als Begleitung dazu, auch Cembalo und Gamben. Er ist der richtige Mann für alle Schlüpfrigkeiten, die in dieser Liedersammlung erschienen sind. Aus der haben er und seine Partnerin Anna Besson ein unterhaltsames Programm zusammengestellt, das von Sex, Krieg und der Jagd handelt und in dem sich auch die gälische Tradition widerspiegelt – oder der kriegerische Hintergrund, als König Wilhelm III. von Oranien die Unabhängigkeitsbewegungen der Iren und Schotten niederschlug: „war songs“ zur Unterhaltung von Salon und Pub. Und später eine wichtige Anregung für Haydn, Beethoven und Mendelssohn Bartholdy. Musik, nicht für die Lust des Körpers, sondern für Seele, Hoffnung Anzüglichkeiten in klassischer Form A nocte temporis im Neuheussaal

Tage Alter Musik Regensburg 2021 33 und Zuversicht: Damit eröffneten traditionell die „Regensburger Domspatzen“ das Festivalprogramm. Dafür fehlten in nahezu allen Konzerten zwar offenbar weitgehend die ausländischen Gäste, die sonst zu Pfingsten kommen. Die Kirchen und Säle waren zu Dreivierteln besetzt. Auch in der Dreieinigkeitskirche mit diesem Programm zwischen Trauer und Erbauung, aufgehellten Schicksalshorizonten. Der Knabenchor unter Christian Heiß entwickelte bei Bach und Mozart-Schnipseln gepflegten vokalen Samt, wenn die „Kleine Cäcilienmesse“ (KV 192) von der Tiefen der Verdammnis zujubelndem Gloria führt. Zwischendurch konnte man sich an der niedlich sprudelnden Truhenorgel (KV 336) ergötzen. Genauso wie tags darauf an einem russischen CembaloDuo. Anastasia Antonova und Anna Kisachi haben aus Musik von Lully und Händel bis zu Ligeti das Programm „Danse macabre“ zusammengestellt, bei dem man wieder einem Freiburger Kern-Cembalo begegnete – wie beim Neumarkter Jubiläums-Solistenfest. Und man begegnete auf der Speisekarte für Alte Musik auch einem Johann Bernhard Bach, Cousin zweiten Grades von J.S. und seinen Orchester-„Ouverturen“, mehrsätzigen Werken (nein, nicht „Suiten“), wie man sie auch von Johann Sebastian Bach kennt. Damit stellte sich zum ersten Mal in Regensburg das französische Ensemble „L’Achéron“ unter Francois Joubert-Caillot äußerst vorteilhaft vor: ein wenig gravitätischer, archaischer noch als später bei Johann Sebastian Bach. Vieles klingt da nach barockem Schäferspiel, die Blockflöte dominiert äußerst virtuos, und man hört auch einen Hauch von Monteverdi, von Vivaldi sowieso – ein Programm, das es auch auf CD gibt und das prächtig in den Neumarkter Reitstadel passen würde. Constantinople, Leitung: Kiya Tabassian & Marco Beasley, Gesang in der Dreieinigkeitskirche Le Miroir de Musique, Leitung: Baptiste Romain in der Minoritenkirche

34 11. Oktober 2021 // Autor: Andreas Meixner Regensburg – Der Herbst ist in Regensburg eigentlich nicht die Zeit für Alte Musik. Schon allein deshalb, weil in die meisten Spielstätten so langsam die Winterkälte kriecht und es für das Publikum und die Musiker im gleichen Maße ungemütlich wird. Nicht ohne Grund sind die Tage Alter Musik seit über 35 Jahren immer an Pfingsten, im Frühsommer. Dieses Mal ist alles anders. Schon im vorigen Jahr fiel eines der wichtigsten Alte-MusikFestival Europas der Pandemie zum Opfer, und auch dieses Jahr mussten die Macher Ludwig Hartman, Stephan Schmid und Paul Holzgartner zunächst die Reißleine ziehen. Nicht aber, ohne einen Ersatztermin am zweiten Oktoberwochenende auszurufen. Der Mut wurde mehrfach belohnt: Die Hygieneregeln haben sich im Laufe des Sommers gelockert, es ist fast ein normaler Konzertbetrieb möglich. Und das Wetter beschert an diesem Wochenende eine traumhafte Kulisse, abseits von so manch pfingstlicher Regenschlacht in den letzten Jahrzehnten. Die Menschen kommen. Nicht in den üblichen Massen, aber sie kommen. Das mag auch daran liegen, dass das Programm der 36. Tage Alter Musik in der Qualität seines Angebots deine Kompromisse macht. Es fehlt in Ermangelung des Pfingstmontags der vierte Festivaltag, auf die Instrumentenausstellung muss man ebenso verzichten wie auf den Kurstag an der Hochschule für katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik. Dafür gibt es 13 Konzerte an fünf historischen Stätten, teils bis tief in die Nacht hinein. Die Regensburger Domspatzen und der Leitung ihres Domkapellmeisters Christian Heiß eröffnen mit der Hofkapelle München das Festival mit Bach und Mozart, beeindruckend ist die hohe Güte und Präzision des Vortrags. Spät am Abend dann die grandiose Sopranistin Dorothee Mields und das Hathor Consort aus Belgien mit entrückter Musik aus Heinrich Alberts Kürbishütte in Königsberg. Am Samstagabend brennt die britische Formation Solomon’s Knot mit weltlichen Gratulations-Kantaten von Johann Sebastian Bach ein Feuerwerk barocker Exaltiertheit ab. Solomon’s Knot machen aus den Kantaten temporeiche Einakter, lassen die Trompeten schmettern und die Pauken trommeln, schaffen auber auch intimste Momente voller Anmut. Im Detail ist das nicht immer perfekt, aber so unverschämt unakademisch und leidenschaftlich, dass es die pure Freude ist. Die Tage Alter Musik in Regensburg bleiben mit Konzerten des kanadischen Ensembles Constantinople und der Gruppe Il Festino aus Frankreich auch dem Grundsatz treu, weit über den Tellerrand des Üblichen und gern Gehörten zu blicken und Neues im Alten zu entdecken. Deshalb ist das Festival auch mittlerweile Sprungbrett für viele internationale Karrieren. Hinnehmen muss man den Ausfall zweier beliebter Konzertorte: Das Ende der Restaurierung der großen Dominikanerkirche ist nicht absehbar und auf Jahre hin wird die St.-Oswald-Kirche unter Gerüsten verschwinden. Das Programm für 2022 steht. Wenn alles wieder seine normalen Wege geht, werden die Konzerte schnell ausverkauft sein und der Sommerwind durch die Regensburger Gassen wehen. Im Herbst ist das anders. Traditionell innovativ Die Tage Alter Musik Regensburg entdecken wieder Neues im Alten Die Regensburger Domspatzen & die Hofkapelle München in der Dreieinigkeitskirche

RkJQdWJsaXNoZXIy OTM2NTI=