Tage Alter Musik – Programmheft 2003

2003 Juni 2003 Preis: 3,00 € Musik vom Mittelalter bis zur Romantik 06. bis 09. Juni

JUNI 2003 2 Vorwort Alte Musik am Pfingstwochenende Sehr geehrte Festivalbesucher, mit spanischer Tanzmusik der Renaissance eröffnet das TERRA NOVA CONSORT im Reichssaal das diesjährige 19. Festival. Der gotische Dom St. Peter bildet den idealen Rahmen für eine Aufführung von Machauts "Messe de Nostre Dame" im ersten Nachtkonzert durch das französische ENSEMBLE EUROPÉEN WILLIAM BYRD. Im Reichssaal präsentiert das New Yorker Ensemble REBEL Kammermusik zweier Meister des „vermischten Geschmacks“: Händel und Telemann. Deutschlandpremiere feiert das finnische Orchester SIXTH FLOOR mit klassischen Orchesterwerken seiner Heimat. Zwei junge Barockorchester aus Osteuropa gastieren erstmals in Regensburg: Das COLLEGIUM 1704 aus Prag und ARTE DEI SUONATORI aus Poznan in Polen mit dem schwedischen Blockflötenvirtuosen Dan Laurin. Das zweite Nachtkonzert in der gotischen Dominikanerkirche bietet die Rekonstruktion einer Marienvesper von O. di Lasso durch WESER-RENAISSANCE BREMEN. Das Mailänder Mittelalterensemble THEATRUM INSTRUMENTORUM bestreitet das dritte Nachtkonzert mit Cantigas de Santa Maria und sephardischen Gesängen. Die hohe Kunst des italienischen Renaissance-Madrigals steht im Mittelpunkt zweier Konzerte mit dem New Yorker Ensemble ARTEK (Monteverdi) und der italienischen Vokalgruppe LA VENEXIANA (Gesualdo). Das amerikanische Damenquartett BELLADONNA spielt im Reichssaal virtuose Folia-Tänze des 17. Jh.. Die komplette Wassermusik von G. F. Händel steht u. a. auf dem Programm des ZEFIRO BAROCKORCHESTERS in der Dreieinigkeitskirche. Ebenfalls in dieser Kirche findet das diesjährige hochkarätig besetzte Abschlusskonzert statt mit namhaften Vokalsolisten und dem COLLEGIUM VOCALE GENT & ORCHESTER unter der Leitung von Philippe Herreweghe. Zu der großen, international beschickten Verkaufsausstellung im Salzstadel neben der Steinernen Brücke möchten wir besonders einladen. Hier ist auch das Informationszentrum mit dem Kartenverkauf untergebracht. In diesem Jahr wurde der Druck des Gesamtprogrammes nicht mehr wie bislang von der Mittelbayerischen Zeitung übernommen. Wir hoffen auf Ihr Verständnis, wenn wir nun deshalb erstmals für das vollständige Programm des Festivals einen Unkostenbeitrag erheben müssen. Wir wünschen erlebnisreiche Tage in Regensburg. Stephan Schmid, Ludwig Hartmann (Pro Musica Antiqua) Grußwort Programm auf höchstem Niveau Wenn sich am Abend des 6. Juni die Türen des historischen Reichssaals öffnen, um den erwartungsfrohen Gästen Einlass in den geschichtsträchtigen Raum zu gewähren, ist es wieder soweit: Das Terra Nova Consort aus den Vereinigten Staaten eröffnet mit seinem Konzert die diesjährigen Tage Alter Musik. Diesem ersten Konzert folgen zwölf weitere im Reichssaal, im Hohen Dom und in anderen historischen Kirchen. Den Veranstaltern ist es ein weiteres Mal gelungen, namhafte Interpreten Alter Musik nach Regensburg einzuladen und ein Programm auf höchstem Niveau zusammenzustellen. Aus acht Nationen kommen die insgesamt 13 auftretenden Ensembles. Bei vielen Liebhabern Alter Musik aus nah und fern ist das Pfingstfest alljährlich im Terminkalender dick markiert und mit dem Hinweis auf die Tage Alter Musik versehen, um das Festival nicht zu versäumen. Ungebrochen ist der Reiz, den die Weisen aus der Vergangenheit ausüben, oft auf Instrumenten vorgetragen, die heute nur noch selten zu hören sind und deren Klang fremdartig wirkt, die aber gerade deshalb einen besonderen Ohrenschmaus bieten. Diesen und weiteren Hörgenuss wünsche ich allen Besucherinnen und Besuchern der Konzerte. Mein Dank gilt den Initiatoren und Organisatoren Stephan Schmid und Ludwig Hartmann und ihrem Team, den Künstlerinnen und Künstlern sowie den Sponsoren, die uns dieses Festival bescheren. Hans Schaidinger Oberbürgermeister der Stadt Regensburg Grußwort Ein Festival der Völkerverständigung im Geiste der Musik Das Festival TAGE ALTER MUSIK REGENSBURG hat sich seit dem Erfolg der ersten Veranstaltung 1984 fest etabliert. Es findet heuer zum 19. Mal statt. Auch dieses Jahr ist es den Veranstaltern wieder gelungen, an vier Tagen ein vielfältiges, zahlreiche internationale Musiker und Ensembles zusammenführendes Programm anzubieten. Sechs historische Spielstätten sind in das Programm einbezogen. Erstmals in Deutschland wird das finnische Orchester SIXTH FLOOR mit klassischen Orchesterwerken seiner Heimat zu hören sein. Das amerikanische Damenquartett BELLADONNA begeht mit den virtuosen FoliaTänzen aus Spanien, Italien und Frankreich seine Europapremiere. Wie immer findet im geschichtsreichen Salzstadel an der Steinernen Brücke eine internationale Verkaufsausstellung, unter anderemmit Nachbauten historischer Musikinstrumente, mit Noten, Büchern und Tonträgern statt, zu der sich über 50 Aussteller aus zahlreichen Ländern gemeldet haben. So werden sich zu den Tagen Alter Musik Musikliebhaber aus (fast) aller Herren Länder treffen: die Besucher aus Deutschland nicht mitgerechnet reicht die Liste über Belgien, Tschechien, Finnland, Italien, Frankreich, den Vereinigten Staaten von Amerika bis nach Polen. So ist wiederum ein Festival der Völkerverständigung im Geiste der Musik in der alten Donaustadt Regensburg zu erwarten. Regensburg mit seinemhistorischen Reichssaal und zahlreichen alten Sälen und Kirchen bietet dafür einen überaus passenden Rahmen. Den Mitwirkenden der Tage Alter Musik 2003 wünsche ich auch in diesem Jahr wieder wertvolle musikalische und menschliche Begegnungen und eine fruchtbare Zusammenarbeit, den Besuchern der Konzerte Freude und Erholung und eindrucksvolle künstlerische Erlebnisse. Hans Zehetmair Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst

JUNI 2003 3 PRESSE RESSE -ALMANACH NEU: Der PRESSE-ALMANACH zum Festival 2002 mit zahlreichen Fotos und Rezensionen ist erschienen. Er kostet Euro 2,50. Ebenso erhältlich sind die Presse-Almanache von 1984 bis 2001. Erhältlich... Im Informationszentrum im historischen Salzstadel neben der Steinernen Brücke. Josef Huber Neue Geigen und Gamben Gebaut in traditioneller Art und Weise Dem historischen und zeitgenössischen Klangideal verpflichtet Orientiert an den historischen Quellen Erörterung der Fertigungstechniken vergangener Epochen Beratung Restaurierungen Saiten Kollwitzstraße 82 10435 Berlin T 0049.30 - 6128 1042 hubergeigen@freenet.de Geigenbaumeister TAGE ALTER MUSIK 2003 im RADIO Bayern 4 Klassik und DeutschlandRadio Berlin Sonntag, 8. Juni, 20.05 Uhr ZEFIRO BAROCKORCHESTER (Direktübertragung aus der Dreieinigkeitskirche) DeutschlandRadio Berlin, in der Reihe „Konzert im DeutschlandRadio“ Mittwoch, 9. Juli, 20.00 Uhr ENSEMBLE EUROPÉEN WILLIAM BYRD und LA VENEXIANA Deutschlandfunk Köln, in der Reihe „Festspielpanorama“ Donnerstag, 10. Juli, 21.05 Uhr SIXTH FLOOR ORCHESTRA Weitere Konzertmitschnittewerden im Rahmen der „Festspielzeit in Bayern 4 Klassik“, im DeutschlandRadio Berlin und imDeutschlandfunk Kölngesendet: • THE TERRANOVA CONSORT • ENSEMBLE EUROPÉEN WILLIAM BYRD • SIXTH FLOOR ORCHESTRA • COLLEGIUM 1704 • WESER-RENAISSANCE BREMEN • ARTE DEI SUONATORI • THEATRUM INSTRUMENTORUM • LA VENEXIANA • BELLADONNA • COLLEGIUM VOCALE GENT & ORCHESTER Die genauen Sendetermine entnehmen Sie bitte der Tagespresse.

Das Terra Nova Consort wurde 1988 von Sue Carney und Pat O’Scannell gegründet und zählt mittlerweile zu den prominentesten Renaissance-Ensembles der USA. Seit 1990 ist die Gruppe ,Ensemble in residence‘ des Oregon Shakespeare Festivals. Den internationalen Durchbruch auf dem CD-Markt schafften die Amerikaner mit der 1999 bei Dorian veröffentlichten CD „Renaissance in Provence”. 2001 erschien die zweite Einspielung mit dem spanischen Programm „Baylado”. Unter diesem Titel steht auch das diesjährige Eröffnungskonzert der Tage Alter Musik. Nach ihrem spektakulären Erfolg mit dem Programm „Renaissance en Provence” beim Deutschland-Debut im Jahr 2000 gastiert die Gruppe zum zweiten Mal in Regensburg. Ihr unverwechselbarer, schwungvoller und lebhafter Umgang mit dem spanischen Renaissance-Repertoire nimmt bewusst Traditionen der Volksmusik ( Cantos populares) auf, betont den starken arabischen Einfluss dieser Musik und führt so zu verblüffenden klanglichen Ergebnissen. Dabei spielt sowohl das perkussive Element als auch die rauhe, emotionale Vokalpraxis des spanischen Cante jondo eine herausragende Rolle. Gleichsam einem Renaissancegitarrenorchester entsprechend bestimmen Vihuelas und Gitarren das Klangbild. Die „unorthodoxe” Spielweise der Schalmeien erinnert an denGaita , den spanischen Dudelsack. Zum Programm: Das musikalische Erbe Andalusiens „Es ist ein großer Fehler sich vorzustellen, Andalusien sei ein Land, wo Ignoranz vorherrscht. Ich kenne wenige Regionen, in denen man im Vergleich derart viele kultivierte Leute findet. Viele von ihnen, wenn nicht die Mehrheit, sind Analphabeten, aber das ist etwas anderes. Was ich meine, ist hauptsächlich ihre Liebenswürdigkeit, ihr Witz, ihr Gefühl für Schönheit, ihre Würde. Eine Sache, die man durch das Leben gut gelernt hat, ist besser als hundert Sachen, die man halb aus Büchern gelernt hat.” Irving Henry Brown, Deep Song: Adventures with Gypsy Songs and Singers in Andalusia (1929) Die Heirat zwischen Ferdinand II. von Aragon und Isabella von Kastilien im Jahre 1469 leitete in Spanien eine neue Epoche ein. Die formale Vereinigung der beiden Königreiche Kastilien und Aragon erfolgte 1479 im Frieden von Alcacovas und brachte somit den größten Teil des christlichen Spaniens zusammen. Los reyes católicos („die katholischen Könige”) suchten zum Zwecke der Vereinigung ihrer früher konkurrierenden Herrschaftsbereiche das moslemische Reich im Süden zu eliminieren. Nach mehreren bemerkenswerten Schlachten wurde die Hauptstadt des Emirs, Granada, schließlich ausgehungert und ergab sich 1492. Am 31. März 1492 gaben die katholischen Monarchen ein Vertreibungsedikt heraus, das allen Juden und Muslimen (nicht nur denen, die in den eroberten Gebieten Granadas wohnten, sondern auch denen, die immer in anderen Teilen Kastiliens und Aragons gelebt hatten) die Wahl anbot, bis zum 31. Juli entweder zum Katholizismus zu konvertieren oder Spanien für immer zu verlassen. Zehntausende wählten das Exil; Inquisitoren wurden angestellt, die die Ernsthaftigkeit der Konversion derer, die blieben, testen und bezeugen sollten. Mehrere Aufstände der Morisken, wie die Spanier die konvertierten Mauren nannten, wurden von Ferdinand und seinen Nordarmeen am Anfang des 16. Jahrhunderts brutal niedergeschlagen, und aus dem Süden Spaniens wurde sozusagen ein besetztes Land innerhalb eines Landes. Andalusien hatte so eine lange Geschichte kultureller Identität hinter sich, die unterschiedlich war und doch verwandt mit dem Rest Spaniens, als das Siglo d’Oro oder das „goldene Jahrhundert” der spanischen Renaissance begann. Während des 16. Jahrhunderts verwehrten militärische Okkupation einer-seits und die Aktivitäten der Inquisition (bei der Umerziehung der konvertierten Morisken) andererseits dem größten Teil der Region die Teilhabe am ökonomischen Wohlstand, der durch das Hereinströmen von Schätzen aus den neuen Besitzungen in Nord- und Südamerika, nach Spanien (seit 1492) zustande kam. Die wertvollen Metalle und Edelsteine erreichten Spanien über Cadiz und Sevilla in Andalusien, fanden aber schnell ihren Weg zu den alten Königshöfen im Norden und hinterließen in Andalusien nur die fantastischen Erzählungen von aus der Neuen Welt zurückkehrenden Seeleuten und Söldnern in Hafenkneipen. So ist es nicht überraschend, dass viel von der bekanntesten weltlichen Musik der spanischen Renaissance Quellen außerhalb Andalusiens entstammt - Madrid, Toledo, Valladolid, Barcelona, Valencia. Diese Städte waren Hof- und Universitätszentren und vieles von der Musik, die wir in diesen Quellen finden, zeigt gelehrten, höfischen Stil. Was wir aus schriftlichen Quellen über die Aufführungspraxis des Siglo d’Orowissen, stammt auch aus Abhandlungen und Beschreibungen über höfische Musizierpraxis, wie z. B. Luis Miláns El Cortesanomit seinen Berichten vom Vizekönigshof in Valencia. Mit Ausnahme von Aufzeichnungen in Kathedralen über Kirchenmusik liegt Andalusien weitgehend abseits aller schriftlichen Quellen. Aber Andalusien hat andersartige Hinweise auf die Musik seiner Bewohner während des Renaissancezeitalters hinterlassen, nämlich das reiche und unverwechselbare Vermächtnis seiner traditionellen Musik. Der cante jondo und cante flamenco , die in Andalusien entstanden, verkörpern die Charakteristika, die der Rest der Welt als spezifisch spanisch ansieht, deutlicher als irgendeine andere Musik. Der cante jondo (von andalu-sisch hondo , d.h. tief, innerlich), wurzelt nicht nur emotional tief in der Seele Andalusiens und den Herzen seiner Bewohner, sondern ist auch chronologisch in beider Historie festgeschrieben. In der Befürchtung, dass Musik eine vereinigende und eine eigene maurische Kultur möglicherweise aufrechterhaltenThe Terra Nova Consort (USA) JUNI 2003 Freitag, 6. Juni 2003, 20.00 Uhr Reichssaal , Rathausplatz Leitung: Sue Carney & Pat O’Scannell ¡Baylado! - Renaissancemusik aus Spanien 4 The Terra Nova Consort bei den Tagen Alter Musik 2000

de Kraft sei, die den spanischen Staat bedrohen könnte, hinderten die spanischen Behörden während des Siglo d’Oro die Morisken an der Aufführung ihrer Musik, besonders der typischen Formen von leylaund zambra . Rodrigo de Zayas vermutet in seinem Buch, dass einige Morisken das Verbot umgangen haben könnten, indem sie sich als Zigeuner ausgaben, die anders als die Morisken oder die krypto-jüdischen conversos als „alte Christen” betrachtet und so weitgehend von den Inquisitoren und anderen Autoritäten übersehen und in Ruhe gelassen wurden. Zayas vermerkt, dass heutige spanische Zigeuner als zambras bezeichnete Werke singen und spielen, die einzig bei ihnen vorkommen und musikalisch nicht mit der Musik anderer Zigeuner-Gesellschaften in Europa verwandt sind. Weiterhin wurden antike arabische Handschriften entdeckt, die in Sacoromonte, dem Zigeunerviertel der Stadt Granada, eingemauert waren. Es mag deshalb sein, dass die heutige flamenco -Tradition lebendiger direkter Abkömmling der nicht notierten und auch sonst nicht dokumentierten Musik der maurischen Kultur im Andalusien der Renaissance ist. © Kurt-Alexander Zeller JUNI 2003 5 PROGRAMM JUAN DELENCINA Tan buen ganadico (1468-1529) TRAD . De el pobo La dictó Froilan Gomez De la mata LUYSMILÁN Falai miña amor (ca.1500-ca.1561) J. B. COMES Baylado JUAN DELENCINA Fata la parte LUYSMILÁN Con pavor recordo el moro ALONSOMUDARRA (?) La tricotea Samartín (ca.1520-1580) PAUSE JUANDEANCHIETA Con Amores (1462-1523) JUANVASQUEZ Los braços traygo cansados (1500-1560) ANONYM Pase el agoa ALONSOMUDARRA Fantasia que contrahaze la harpa en la manera de Ludovico LUYSMILÁN Sospirastes, Baldovinos ANONYM De Toril ALONSOMUDARRA Ysabel TRAD . Eres, Agueda gloriosa I ANONYM No querades, fija TRAD . Eres, Agueda gloriosa II AUSFÜHRENDE THETERRANOVACONSORT Sue Carney Gesang, Gitarre Kay Hilton Gesang, Perkussion Pat O’Scannell Gesang, Schalmei, Blockflöte, Tenorgambe, Perkussion David Rogers Vihuela Nick Tennant Gesang, Perkussion GÄSTE : Tina Chancey Violine, Bassgambe Andrew Maz Tenorvihuela Reichssaal Regensburg war seit den Karolingern bevorzugter Ort für die Abhaltung von Reichstagen. Im Mittelalter zählte man 45 Reichstage in Regensburg. 1541 war der Reichssaal Ort des berühmten Religionsgesprächs zwischen Melanchthon und Dr. Eck. Von den Reichstagen sind besonders der von 1623, bei dem Bayern die Kurwürde erhielt, und der von 1630, als Wallenstein von der Mehrheit der katholischen Fürsten abgesetzt wurde, zu nennen. Von 1663 bis 1806 war der Reichssaal Tagungsort des „Immerwährenden Reichstags“. Er ist als erstes deutsches Parlament anzusehen. Der um 1360 gebaute Reichssaal darf in seinen Dimensionen und seinem Alter für Deutschland als einzigartig gelten. Hervorzuheben ist die mächtige Holzdecke, an deren Unterseite man die Relieffigur des thronenden Petrus (des Stadtpatrons) erkennt. The Terra Nova Consort

Das Ensemble européen William Byrd zählt zu den herausragenden professionellen Vokalensembles Frankreichs. Seit zwölf Jahren hat die Gruppe unter ihrem Leiter Graham O’Reilly regelmäßig an zahlreichen wichtigen europäischen Festivals teilgenommen. In der Saison 2002/2003 sind Konzerte u.a. beim Early Music Festival in Vancouver und beim Boston Early Music Festival geplant. Bislang hat das Ensemble sieben CDs veröffentlicht. Die jüngste Aufnahme mit „Miserere”-Vertonungen von Allegri, Leo, Scarlatti und Viadana entstand in Zusammenarbeit mit dem Festival von Ambronay und wurde von der Fachpresse überschwänglich gelobt. Zum Programm: La Messe de Nostre Dame Guillaume de Machaut , Musiker und Dichter, war der wichtigste Komponist der als Ars Nova bekannten Periode. Seine ungemein ausgefeilte Technik erlaubte es ihm sich in allen Stilen und Formen seiner Zeit auszudrücken und zwar in einer Musik voller Eleganz und Emotion. Die Messe de Nostre Dame gilt als Höhepunkt der spätmittelalterlichen Musik Frankreichs und bietet eine eindrucksvolle Zusammenfassung der zu dieser Zeit bevorzugten Techniken und Stile. Die Messe war höchstwahrscheinlich zur Aufführung in der Kathedrale von Reims gedacht, wo sich Machaut ab 1340 niederließ. Sie gilt als das erste Beispiel eines von einem namentlich bekannten Komponisten vollständig vertonte Messordinarium. Es ist auch die erste Messvertonung, die man als ein musikalisches Ganzes betrachten kann und die einen Standard setzt, nach dem alle zukünftigen Messen beurteilt werden. Sie beansprucht somit einen ähnlichen Platz in der Entwicklung der Messekompositionen wie Monteverdis Orfeoin der Geschichte der Oper. In denGloria- undCredo- Vertonungen benutzt Machaut den deklamatorischen Stil, wie man ihn - abgeleitet vomConductus - in derMesse de Tournai findet. Er gestaltet die langen Texte so kurz wie möglich und setzt sie syllabisch in allen vier Stimmen Note gegen Note. Dies ist ein Stil, der vermutlich in der langlebigen Tradition improvisierter Mehrstimmigkeit seine Wurzeln hatte. Die ausgefeilten „Amen”- Vertonungen dieser Sätze und alle übrigen Teile der Messe ( Kyrie, Sanctus-Benedictus, Agnus Dei und Ite Missa est ) benutzen verfeinertere Techniken: Etwa die Isorhythmik, sie bedeutet, dass die denCantus firmus tragende Stimme auf der Wiederholung einer rhythmischen Formel beruht. Dieses Prinzip hat Machaut auf alle vier Stimmen erweitert. Oder die Hoquetustechnik, bei der zwei oder mehr Stimmen, die jeweils gegeneinander versetzt in schnellem Wechsel ertönen bzw. pausieren, sich zu einer gemeinsamen Melodielinie ergänzen. Man hat lange geglaubt, dass die Messe zur Krönung Karls V. im Dom zu Reims im Jahre 1364 komponiert worden sei. Allerdings gibt es keinen Beweis, der diese alte Theorie stützen könnte. Egal, ob dies wahr ist oder nicht, die Messe muss etwa aus dieser Zeit stammen, da sie ganz deutlich ein Werk aus der Reifezeit des Komponisten ist. Ihre Harmonien sind gleichzeitig fremd und modern. Es ist nützlich, sich beim Hören an Folgendes zu erinnern: In Machauts Zeit wurden Tonleitern und Intervalle oft mit Glocken (mit ihren exotischen harmonischen Obertönen) gelehrt und vermittelt und für unsere heutigen Ohren sind Terzen und Sexten harmonisch zusammenklingende Intervalle, aber für den Hörer im 14. Jahrhundert waren nur Oktaven, Quarten und Quinten konsonante Intervalle. Dies mag nicht völlig unabhängig sein von der Tatsache, dass sie die am leichtesten zu stimmenden Intervalle auf der Orgel sind, die zweifellos in jener Zeit das einzige regelmäßig in Kirchen benutzte Instrument war. Wir beschließen unser Programm mit Musik der Generationen nach Machaut, die er selbst nie gehört hat. Die Motetten vonBinchois und Dufay sind deutlich weniger kompliziert als der größte Teil der Machaut-Messe. Die Motetten von Ockeghem andererseits signalisieren eine Rückkehr zur Kompliziertheit, aber eine eher von musikalischen als von theoretischen Überlegungen geführte Kompliziertheit. Intemerata Dei mater ist eines jener Werke, die alle hundert Jahre einmal vorkommen - eine perfekte Kombination aus Technik und Gefühl. Das Stück ist vielleicht des erste reine Meisterwerk westlicher Musik. © Graham O’Reilly Ensemble européen William Byrd (Paris) JUNI 2003 Freitag, 6. Juni 2003, 22.45 Uhr (Nachtkonzert) Dom St. Peter , Domplatz 6 Leitung und Orgel: Graham O’Reilly Guillaume de Machaut: “Messe de Nostre Dame” - Motetten von Binchois, Dufay und Ockeghem - Orgelmusik aus dem Buxheimer Orgelbuch und Gregorianische Choräle Graham O’Reilly Ensemble européen William Byrd

JUNI 2003 7 PROGRAMM GILLESBINCHOIS Asperges me Domine (ca.1400-ca.1467) GREGORIANISCHERCHORAL Introitus: Salve Sancta parens GUILLAUME DEMACHAUT Messe de Nostre Dame: (ca.1300-ca.1377) Kyrie - Christe - Kyrie GUILLAUME DEMACHAUT Messe de Nostre Dame: Gloria BUXHEIMERORGELBUCH Maria tusolacium GREGORIANISCHERCHORAL Lectio Libro Sapientiae GREGORIANISCHERCHORAL Alleluia, Post partum JOHANNESOCKEGHEM Antiphon: Salve Regina (ca.1420-1497) GUILLAUME DEMACHAUT Messe de Nostre Dame: Credo KURZE PAUSE (Bitte bleiben Sie auf Ihren Plätzen!) GILLESBINCHOIS Ave Regina celorum BUXHEIMERORGELBUCH Tant apart GUILLAUME DEMACHAUT Messe de Nostre Dame: Sanctus - Benedictus GUILLAUMEDUFAY Antiphon: Alma Redemptoris mater (ca.1397-1474) BUXHEIMERORGELBUCH Stück Nr. 253 GREGORIANISCHERCHORAL Communio: Beata viscera GUILLAUME DEMACHAUT Messe de Nostre Dame: Agnus Dei GUILLAUMEDUFAY Hymnus: Ave Maris Stella JOHANNESOCKEGHEM Motette: Intemerata Dei mater AUSFÜHRENDE ENSEMBLEEUROPÉENWILLIAMBYRD Brigitte Vinson Mezzosopran Bruno Boterf Tenor Vincent Bouchot Tenor Francois Fauché Bariton Paul Willenbrock Bass Dom St.-Peter Der imposante Regensburger Dom, der im Fernblick das Stadtbild beherrscht, ist einer der wenigen Dome in Deutschland, die man nach dem Schema der gotischen Kathedralen Frankreichs erbaute. Sein homogenes Aussehen verdankt der Dom trotz seiner jahrhundertelangen Bauzeit (über 600 Jahre) dem Festhalten am ehrgeizigen Gesamtplan, der bereits in den 70er/80er Jahren des 13. Jahrhunderts entworfen wurde. Nach einem Baustopp wegen Geldmangels im Jahre 1525 – die Türme blieben unvollendet – wurde er erst in den Jahren von 1859 bis 1869 mit kräftiger finanzieller Unterstützung durch König Ludwig I. von Bayern fertiggestellt. Besonders bemerkenswert sind neben der Klarheit der gotischen Formen die originalen Glasgemälde der großen Fensterflächen, die zwischen 1310 und 1380 entstanden sind, und die zahlreichen Figuren und Reliefs seiner Westfassade aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Dieses Konzert findet in Verbindung mit der Reihe „Konzerte im Dom St. Peter Regensburg“ statt. Wir danken dem Institut für Musikpädagogik der Universität Regensburg für die freundliche Bereitstellung der Truhenorgel. Dieses Konzert wird in besonderer Weise von La Spedidam, der französischen Gesellschaft zur Wahrung von Leistungsschutzrechten, unterstützt. Beim Konzert im Dom St.-Peter Guillaume de Machaut

Die New York Times titelte: „Raffiniert und höchst kurzweilig”, die Los Angeles Times schrieb: „Das Publikum geriet in höchstes Erstaunen über den vitalen, provozierenden Musizierstil”. Expressivität und höchste Virtuosität sind ein Markenzeichen des EnsemblesREBEL. Nach dem innovativen französischen Barockkomponisten Jean-Féry Rebel (1666-1747) benannt, haben sich 1991 Musiker um den Geiger Jörg-Michael Schwarz zum EnsembleREBEL formiert. Im selben Jahr gewann REBEL den ersten Preis beim Early Music Award Utrecht. Seitdem hat das Ensemble bei allen wichtigen europäischen und amerikanischen Alte-Musik-Festivals konzertiert. Schon seit einigen Jahren leben die Musiker in New York City und bilden dort das Orchester ‚in residence’ an der historischen Trinity Church und arbeiten eng mit dem Trinity Choir zusammen. Für den Hänssler-Verlag Stuttgart wird Rebel zusammen mit dem Trinity Choir bis zum Jahr 2009 das gesamte geistliche Werk für Chor und Orchester von Joseph Haydn auf CD aufnehmen. REBEL hat zahlreiche CDs veröffentlicht, u.a. bei der Deutschen Harmonia Mundi und bei Dorian. 2002 erschien die jüngste Aufnahme („Telemann alla polacca”), die von der Fachpresse hoch gelobt wurde. Zum Programm: Georg Philipp Telemannwar ein Meister der verschiedenen Nationalstile. Er schrieb fließend in französischem wie italienischem Stil zusätzlich zu seinem heimatlichen deutschen. Schon 1695, gerade mal acht Jahre nach dem Tode Jean-Baptiste Lullys, des „französischsten” der französischen Komponisten - wenn er auch als Giovanni Battista Lulli in Florenz geboren wurde - schrieb der französische Lexikograph Sébastian de Brossard, dass „jeder Komponist in Paris wie verrückt Sonaten in italienischer Manier schrieb.” Viele Beobachter befürchteten, dass der französische Stil selbst bedroht sei. Schließlich wurde er aber, wenn auch nur vorübergehend, gerettet durch François Couperin in seiner Sammlung Les goûts réünisaus dem Jahre 1724. Er kombinierte kunstvoll Elemente zweier Nationalstilarten zu einem neuen vereinigten Ganzen. Für diesen Stil setzten sich sofort führende Komponisten in Paris ein. Etwa um 1730 erwartete man von guten deutschen Komponisten, dass sie sowohl den französischen als auch den italienischen Stil beherrschten. Telemann war derjenige Komponist, der die beiden nahtlos zu dem verband, was man im Deutschland jener Zeit als vermischten Geschmack bezeichnete. Es ist kaum überraschend, dass ein so facettenreicher Komponist wie Telemann über die französischen und italienischen Stilarten hinausgehend auch andere nationale Idiome erforschte. Für Telemann bezeichneten etwa die Begriffe polonoise undpolaccanicht ausschließlich diesen Tanz, sondern signalisierten eher allgemein den Gebrauch polnischer Idiomatik. Für Telemann war Musik in polnischer Manier eine logische Konsequenz seines weiten Interesses an Stil. Telemanns erste offizielleAnstellung nach seinem Studium in Leipzig war im Jahre 1705 eine Einladung an den Hof des Grafen Erdmann II. von Promnitz in Sorau (heute Zary in Polen), wo er Kapellmeister wurde, was er fast drei Jahre lang blieb. Während der junge Komponist seine Pflichten erfüllte, die darin bestanden, des Grafen Appetit auf Musik im französischen Stil zu stillen, begegnete Telemann begeistert der regionalen polnischen Volksmusik. Sein Interesse scheint begonnen zu haben während eines sechs Monate dauernden Aufenthaltes des Hofes in Pless. Dort hörte Telemann polnische Volksmusik sozusagen aus erster Hand. Sein Interesse wurde genährt und sein Geschmack verfeinert während mehrerer Besuche in Krakau, wo er Bewunderung für die - wie er selbst sagte - „barbarische Schönheit” dieses Stils entwickelte. Das D-Dur-Konzert für Traversflöte, Streicher und B.c. ist Telemanns bekanntestes Werk für diese Besetzung. Wie Bachs h-Moll-Orchestersuite weist dieses Stück ebenfalls eine Polonaise auf. Doch Telemann hat hier eines seiner zahlreichen Konzerte im polnischen Stil geschrieben, die „als alternierende Sätze in Adagio and Allegro italienisch verkleidet” sind. Obwohl es sich deutlich um eine Polonaise im klassischen Sinne handelt, gibt Telemann dem ersten Satz dieses Konzertes einfach die Tempobezeichnung „Moderato”. Während Bachs Polonaisen-Paar einen typisch barocken Satz von paarweise angeordneten Tänzen darstellt und Telemann einen einzelnen, ausgedehnten rondoartigen Satz schreibt, wo das eröffnende achttaktige Thema nach kontrastierenden Episoden immer wiederkehrt, wählen sie beide einen Anfang mit einer klaren Feststellung des Tanzrhythmus, indem sie die Sechzehntelpassagen den kontrastierenden Teilen vorbehalten und dann zu der einfachen Version des Tanzes zurückkehren. Im Lichte von Telemanns eigenem Eingeständnis, er habe ganze Konzerte in polnischem Stil geschrieben, in denen die polnischen Ursprünge mit italienischen Titeln verkleidet gewesen seien, fordert es wohl nicht zu viel an Phantasie, sich vorzustellen, dass Telemann andere polnische Einflüsse für die folgenden Sätze dieses Konzerts herangezogen haben mag. Jedes der beiden namengebenden polnischen Stücke in unserem Programm, dieSonata Polonese a-Mollund dasConcerto Polonoise B-Dur , beginnt mit einem als ”Polonoise” betitelten Satz. Diese Sätze sind nicht die vertraute Polonaise (die Bach bekannt war und von ihm unter dem Titel ”Polacca” in seiner h-moll-Orchestersuite benutzt wurde), sondern eher Sätze polnischen Charakters, die französischen Ouvertüren ähneln. Während die Polonaise bei Bach im Dreiertakt steht, sind diese Sätze in einem breiten Zweiermaß. Es sind die derben Auftakte und Synkopierungen in diesen Sätzen, die ihre polnische Inspiration verraten. Weiterhin ist anzunehmen, dass Telemann einen rauherenAufführungsstil vorzuREBEL (New York) JUNI 2003 Samstag, 7. Juni 2003, 11.00 Uhr (Matinee) Reichssaal , Rathausplatz Leitung: Jörg-Michael Schwarz & Karen Marie Marmer G. Ph. Telemann & G. F. Händel - Meister des vermischten Geschmacks 8 REBEL

JUNI 2003 schlagen versucht, als er für eine typisch französische Ouverture zu erwarten gewesen wäre. Polnische Musik war weitgehend bekannt als Volksmusik und Tanzmusik, während man beim französischen WortOuverturewohl eher an vornehme höfische Musik dachte. Während dieSonata Discortatokein typisch polnisches Stück ist, war die Prozedur Scordatura in der Volksmusik weithin bekannt und könnte wohl auch Telemann vertraut gewesen sein. Discortato im Sinne von ungestimmt oderScordatura als ein Umstimmen des Instruments war eine Technik, mit deren Hilfe der Komponist eine andere Stimmung für die leeren Saiten der Violine auswählte, was die Klangfarbe des Instruments veränderte und das Spielen von Akkorden und Doppelgriffen in einer bestimmten Tonart erleichtern konnte. Indem er eine Stimmung wählte, bei der die Saiten tiefer als üblich gestimmt waren, konnte der Komponist ein dunkleres Timbre des Instruments erreichen, während die von den polnischen Fiedlern regelmäßig gewählte Höherstimmung der Saiten dem Instrument einen helleren, schrillen Klang gab. Die Sonate ist in zwei verschiedenen Versionen erhalten. Eine Triosonate für zwei skordierte Violinen und Basso continuo scheint das Original zu sein, während eine fast identische Fassung erhalten ist, deren Ecksätzen eine Flötenstimme hinzugefügt wurde - vielleicht für einen adeligen Amateur? - die, obwohl sie nicht unverzichtbar ist, eine sehr reizvolle klangliche Wirkung schafft. Händel ist eher bekannt für seine meisterliche Beherrschung des italienischen Stils und sein Geschick, englische Stilelemente aufzunehmen, als für irgendein reflektiertes Interesse an französischengoûts réünisoder amvermischten Geschmack seiner deutschen Heimat. Nichtsdestotrotz ist er ein geborener „Stilevermischer” und seine hohe Kunst zeigt sich sehr gut in seinen Orchestersuiten. Die dritte Suite in G-Dur aus seinerWassermusik , auch bekannt als die Flötensuite, wurde zusammen mit den beiden anderen Suiten (FDur, D-Dur) uraufgeführt bei einer königlichen Flussfahrt auf der Themse in London im Juli 1717. Telemanns Suite in Es-dur nennt ausdrücklich eine „Flûte pastourelle” für den Solopart, ohne weitere Erklärung, welches Instrument damit gemeint ist. Die Herkunft der „Flûte pastourelle” ist nicht sicher, aber sie gehörte sicherlich nicht zum üblichen Instrumentarium des Adels. Der Name lässt eine Art ländliche Pfeife vermuten. Der Solopart umfasst nur eine Oktave und eine Sexte und scheint so besser zu einer Renaissanceblockflöte zu passen als zu einem Barockinstrument. Alle anderen Telemannschen Blockflötenstimmen beanspruchen den vollen Tonumfang des Barockinstruments. Glücklicherweise hat in einer Sammlung in Kopenhagen ein Instrument überlebt, das den Anforderungen dieses Stückes gerecht wird. Matthias Maute verwendet eine Kopie dieses Instruments. Es ist eindeutig ein Folklore-Instrument, eine Art Piccolo-Blockflöte, gestimmt auf a’ = 440 Hz mit einem begrenzten Tonumfang und anderen der Renaissanceblockflöte ähnlichen Eigenschaften. Trotz seiner geringen Größe hat es einen relativ dunklen Ton. Als Sechstel-Flöte ist dieses Instrument in D, aber da es einen Halbton höher gestimmt ist als die Streicher und das Cembalo, die auf a’ = 415 gestimmt sind, spielt die Flöte in D-Dur und erklingt in EsDur. Die Ouvertüre zu dieser Suite erinnert an Telemanns ausdrücklich als polnisch bezeichnete Stücke. Verstärkt wird dieser Eindruck durch den folkloristischen Klangcharakter der Flöte und den ausgiebigen Gebrauch von polnisch gefärbten Volksmusikmelodien in den Tanzsätzen. Pastorale Elemente weist die zweite Bourrée auf, in der die Solovioline echoartig der Flöte antwortet. Es ruft das Bild von auf den Feldern vor ihren grasenden Schafen musizierenden Schäfern hervor. © John Moran 9 PROGRAMM GEORGPHILIPPTELEMANN Concerto für Traversflöte, Streicher und (1681-1767) B.c. D-Dur, TWV 51, D2 Moderato - Allegro - Largo - Vivace Sonata Polonese à 3 für Violine, Viola und B.c. a-Moll, TWV 42, a 8 Polonoise - Allegro - Dolce - Allegro Sonata Discortato à 4 für zwei skordierte Violinen, Traversflöte und B.c. A-Dur, TWV 43, A 7 Affetuoso - Vivace - Air en Menuet - Bourrée GEORGFRIEDRICHHÄNDEL Suite aus der “Wassermusik” für (1685-1759) Blockflöte, Streicher und B.c. G-Dur, HWV 350 Sarabande - Rigaudon I & II - Menuet I & II Gigue I & II -Rigaudon PAUSE GEORGPHILIPPTELEMANN Concerto Polonoise à 4 für zwei Violinen, Viola und B.c. B-Dur, TWV 43, B 3 Polonoise - Allegro - Largo - Allegro GEORGPHILIPPTELEMANN Suite für Flûte pastourelle, Streicher und B.c. Es- Dur, TWV 55, Es 2 Ouverture - Menuet I & II - Sarabande Bourée en Echo I & II alternativement Passepied I & II - Gavotte - Gigue Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente, Markus Krebs, CH-8200 Schaffhausen, für die freundliche Bereitstellung des Cembalos. AUSFÜHRENDE REBEL Matthias Maute Traversflöte, Blockflöte Jörg-Michael Schwarz Violine Karen Marie Marmer Violine, Viola Thomas Rink Viola John Moran Violoncello Jean-Michel Forest Kontrabass Dongsok Shin Cembalo Letztes Jahr im Reichssaal

Zum ersten Mal gastiert das 1989 gegründete Sixth Floor Orchestra in Deutschland. Das in Helsinki beheimatete Orchester ist Finnlands bedeutendstes Orchester, das sich der historischen Aufführungspraxis verpflichtet hat. Unter der Leitung des Cellisten Jukka Rautasalowerden die Finnen höchst ambitionierte Orchesterwerke des 18. Jahrhunderts aus ihrer Heimat vorstellen, die hierzulande nahezu unbekannt sind. Die jüngste CD-Veröffentlichung für das finnische Label Ondine unter dem Titel “The Classical Age in Finland” wurde von der Fachpresse mit großer Begeisterung aufgenommen. Solistin in Erik Tulindbergs 1. Violinkonzert ist die junge Geigerin Laura Vikman , Preisträgerin zahlreicher Wettbewerbe, u.a. des Leipziger Bachwettbewerbs 2002. Sie ist Konzertmeisterin des finnischen Rundfunksinfonieorchesters und spielt auf einer Violine von A. Guarneri (1680). Zum Programm: In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erhielt das europäische Musikleben völlig neue Impulse. Hatte sich bis dahin das Musikschaffen auf Fürstenhöfe und Gotteshäuser konzentriert, so verlagerte es sich nun - ganz im Geist der Aufklärung - in bürgerliche Musikgesellschaften und öffentliche Konzerte. Finnland gehörte bis 1808/09 als vollwertiger Landesteil zum Königreich Schweden. Unter der Regentschaft von Gustav III. (1771-1792) entwickelte sich ein reiches musikalisches Leben. Bereits im ersten Jahr seiner Regentschaft wurde die Königliche Musikakademie gegründet und zwei Jahre später - 1773 - öffnete die Stockholmer Oper ihre Pforten. Aus dem Ausland wurden führende Komponisten und Dirigenten engagiert, so Abbé Georg Joseph Vogler, dessen »Visitenkarte«, die Adventhymne Hosianna (Stockholm 1795, Aufführung in Turku/Finnland vermutlich 1797), noch heute in Schweden sehr beliebt ist. Konzertmeister der Hofkapelle war 1773-1790 der Violinist Erik Ferling (1733-1808), ein berühmter Musiker, den sogar Carl Michael Bellman in einem seiner Lieder erwähnt. Mitglied der Königlichen Musikakademie wurde Ferling schon 1773. Er trat oft als Solist der Hofkapelle auf und veranstaltete als erster in Stockholm öffentliche Konzerte mit Kammermusik - Erik Ferling war ein wichtiger Förderer der Haydnschen Quartette. Erik Tulindberg (*1761 Vähäkyrö/Westfinnland, +1814 Turku), ein talentierter Geiger und Cellist, gilt als erster bedeutender Komponist Finnlands. 1784 wurde er Beamter in der nordfinnischen Verwaltungsstadt Oulu, doch 1809 zog er zurück nach Turku, wo er anfangs Mitglied des Staatsrates und Vorsitzender des Finanzausschusses und später Provinzkämmerer war. Sein wichtigstes Vorbild als Komponist war zweifellos Haydn, denn neben anderen Werken finden sich in Tulindbergs größtenteils erhalten gebliebener Notensammlung auch die Quartette dieses Meisters. Erik Tulindbergs eigene sechs Streichquartette wurden erst 1925 entdeckt. Sie bezeugen ein hohes Können und ausgeprägtes Stilgefühl. DasViolinkonzert Nr. 1 B-Dur (die Nr. 2 ist nicht überliefert) wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg entdeckt. Die Noten befanden sich im Nachlass Patrik Alströmers, der treibenden Kraft hinter der Gründung der Stockholmer Musikakademie. (Alströmer war später Sekretär der Akademie und Musikdirektor der Utile Dulci-Gesellschaft.) Tulindberg hat sein Konzert anscheinend nach Stockholm geschickt, um dort Anerkennung zu finden. Im Jahr 1797 nahm man ihn auch wirklich in die Musikakademie auf. Die 1. Violinstimme seines Konzerts liegt heute in Turku in einem Archivschuber, der die Jahreszahl 1783 trägt. Möglicherweise wurde das Konzert zu diesem Zeitpunkt komponiert oder uraufgeführt. Im Jahr 1782 schreibt jedenfalls Henrik Gabriel Porthan in einem Brief anlässlich der Feiern zur Geburt des Prinzen Carl Gustav: »Neben anderen Festlichkeiten [...] gaben unsere Virtuosen, die Magister Röring, Nordberg und Tulindberg, mit Hilfe anderer ein Konzert in der Akademie.« Das Violinkonzert erinnert an Haydns Jugendkonzerte und hat drei Sätze: Allegro - Romance grazioso - Rondo (Tempo di menuetto). Aus diesem Grund kann man es einem damals häufigen Typus der Mannheimer Schule zuordnen, den Mozart schließlich verfeinerte. Das Menuett am Schluss entwickelt sich wie üblich zu einer Variationsreihe. Sie bietet neben ausgezeichneten virtuosen Abschnitten auch Raum für eine Kadenz. Diese Kadenz, die nicht erhalten ist, sollte eventuell improvisiert werden. Das Musikleben in Turku nahm wieder beständigere Formen an, als 1790 in der Stadt eine Musikalische Gesellschaft gegründet wurde. Sie besaß gemäß Reglement zweierlei Mitglieder: die »Musiker«, an ihrer Spitze Professor Tengström und Dozent Isak Nordberg, der erste Direktor des Orchesters, und die »Musikfreunde«, deren bekanntestes Mitglied Professor Porthan gewesen sein dürfte. Dem Orchester der Gesellschaft, das regelmäßig zu Proben zusammentrat und öffentlich konzertierte, gehörten Professoren, Studenten und sonstige Laienmusiker an, und, falls nötig, auch Militärmusiker, die honoriert wurden. Als Konzertmeister (Dirigent) berief man Erik Ferling, dessen Glanzzeit als Virtuose wohl schon vorbei war. Er traf im Herbst 1790 in Turku ein und wirkte neben seiner Tätigkeit beim Orchester auch als Kammermusiker und Geigenlehrer. Ferling war der erste Musiker in Finnland, der sich außerhalb der traditionellen Institutionen Kirche, Militär und Universität betätigte. Für die festlichen Zusammenkünfte der Musikalischen Gesellschaft, die meist am 24. Januar stattfanden, dem Geburtstag Gustav III. und Jahresfest der Gesellschaft, komponierSixth Floor Orchestra (Helsinki) JUNI 2003 Samstag, 7. Juni 2003, 16.00 Uhr, St.-Oswald-Kirche , Weißgerbergraben Leitung u. Violoncello: Jukka Rautasalo; Laura Vikman , Solovioline Klassische Orchestermusik des 18. Jahrhunderts aus Finnland und Schweden 10 Sixth Floor Orchestra Jukka Rautasalo Laura Vikman

JUNI 2003 te er modische Tänze - die Veranstaltungen stellten zweifellos einen Höhepunkt im gesellschaftlichen Leben Turkus dar. Vorherrschende Moden im städtischen Leben repräsentiert auch dieQuadrillevonThomas Byström (1772-1839). Sie ist nach Art der Menuette und Kontertänze von Ferling gestaltet. Byström, Sohn eines Kaufmanns und Bürgermeisters von Helsinki, ging in Reval, dem heutigen Tallinn, zur Schule. Er wurde Offizier und wirkte an der Karlberger Militärakademie in Stockholm, wo er Klavier unterrichtete. Später war er u.a. Klavierlehrer des Prinzen Oskar. Mit seinen zwischen 1780 und 1792 entstandenen Sinfonien schuf Joseph Martin Kraus einen wesentlichen Beitrag zur Gattung der “Grande Symphonie”. Der 1756 in der kurmainzischen Stadt Miltenberg amMain geborene Komponist übersiedelte 1778 nach Stockholm Die im Jahre 1782 entstandene cis-Moll Symphonie wird durch ein von Vorhaltsdissonanzen geprägtes ausgedehntes Andante molto eingeleitet. Sie ist die einzige viersätzige Symphonie von Kraus. Das temperament- und humorvolle Werk lässt die Beschäftigung mit Joseph Haydns Sinfonik erahnen. © Fabian Dahlström 11 PROGRAMM JOHANNHELMICHROMAN Sinfonie B-Dur, BeRI 11 (1694-1758) Non troppo allegro - Lento - Vivace ERIKTULINDBERG Konzert für Violine und Orchester B-Dur, (1761-1814) op.1 (1783) Allegro - Romance - Rondo: Tempo di minuetto Laura Vikman, Solovioline PAUSE ERIKFERLING 3 Kontretänze und 3 Menuette (1733-1808) Kontretanz Nr. 2 Es-Dur, Nr. 3 B-Dur, Nr. 1 Es-Dur Menuett Nr. 4 Es-Dur, Nr. 5 Es-Dur, Nr. 3 Es-Dur THOMASBYSTRÖM Quadrille (1772-1839) JOSEPHMARTINKRAUS Sinfonie cis-Moll, VB 139 (1756-1792) Andante di molto - Andantino - Menuett I & II - Allegro Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente, Jürgen Ammer, 34270 Schauenburg, für die freundliche Bereitstellung des Cembalos. AUSFÜHRENDE SIXTHFLOORORCHESTRA Petri Tapio Mattson, Minna Kangas, Eeva Haapamäki Violine I Tiina Aho-Erola, Aira Maria Lehtipuu, Antti Kortelainen Violine II Tuula Riisalo, Laura Kajander-Fiestas Viola Jukka Rautasalo, Jussi Seppänen Violoncello Kujanpää Mikko Kontrabass Jari S. Puhakka, Petra Aminoff Traversflöte Tommi Viertonen, Miska Miettunen Naturhorn Assi Karttunen Cembalo St.-Oswald-Kirche Die gotische Kirche des 1318 erstmals erwähnten „Spitals auf Turnau“wurde von Friedrich Auer und Karl Prager gestiftet und in der Folgezeit vom reichen Patriziergeschlecht der Auer reich beschenkt. Sie ist dem hl. Oswald, dem Patron der Pilger und Reisenden, besonders aber der Kreuzfahrer, geweiht und steht an der Einmündung des Vitusbacharmes in die Donau, am sogenannten Weißgerbergraben, dem ehemaligen Graben der frühmittelalterlichen Stadtmauer (um 920 von Herzog Arnulf von Baiern errichtet). Hier waren Gerber ansässig, die das feine, weiße Leder herstellten. 1553 wurde St. Oswald vom Rat der Stadt an die protestantische Kirche übergeben, 1708 barockisiert. Dabei entstand eine für Bayern einmalige „Bilderpredigt“ an Decke und Emporen: „Des Herren Wort bleibt in Ewigkeit“. 1750 errichtete hier der Regensburger Orgelbauer Franz Jakob Späth seine heute einzig erhaltene Barockorgel (a = 468 Hz), eine von maximal fünf original erhaltenen Barockorgeln Bayerns. Die letzte Restaurierung von Kirche und Orgel, bei der die Orgelmodernisierung von 1958 rückgängig gemacht wurde, war am 6. 10. 1991 abgeschlossen. Joseph Martin Kraus

Das Collegium 1704wurde 1991 gegründet und zählt neben der Musica Florea zu Prags prominentesten Barockorchestern. Das Orchester beschäftigt sich unter seinem Gründer und Leiter, dem Cembalisten Václav Luks, vor allem mit der weniger bekannten Musik der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus den europäischen Musikhauptstädten Dresden, Prag und Wien. Komponisten wie J. D. Heinichen, A. Caldara, J. J. Fux, A. Reichenauer und vor allem J. D. Zelenka und J. F. Fasch nehmen einen bevorzugten Platz im Repertoire des Orchesters ein. Gerade deren Orchesterwerke sind typisch für den damaligen berühmten farbigen Dresdner Orchesterklang, der durch die große Bandbreite der Besetzungsmöglichkeiten besticht. Zum Programm: Prag 1723 - Musik zu den Krönungsfeierlichkeiten von Karl VI. „Die Anzahl der zuschauenden Herrschaften / die Zierde des Theatri, und dessen Veränderungen / welches mit viel 1000 Waxs-Lichter und Ampeln beleuchtet ware / die Geschicklichkeit deren Vorstellenden / dann die Kostbarkeit deren Kleidern / die auserlesene Music / und die zierlichst-aufgeführte Täntzen / können wohl bewundert / aber nicht beschrieben werden.” So begeistert informiert das „Wiener Diarium” über die Aufführung der KrönungsoperCostanza e Fortezzavon Johann Joseph Fux (1660-1740) am 28. August 1723 in Prag aus Anlass der Krönung des Kaisers Karls VI. zum böhmischen König und der Geburtstagsfeier seiner Gattin Elisabeth. Seit Anfang Sommer 1723 strömten Besuchermengen nach Prag, um entweder an den Feierlichkeiten direkt teilzunehmen oder nur einfach „dabei” zu sein. Auf dem Hradschin, in der Nähe des Reitsaals der Prager Burg wurde unter freiem Himmel ein neues Amphitheater nach den Plänen des Theaterarchitekten Galli-Bibiena errichtet, und bereits im Juli begann man mit den Proben für die Fux’sche Oper. Nach Prag kam auch eine Reihe von Musikern, die Zeugen der großartigen Opernaufführung des berühmten Hofkapellmeisters sein wollten. Johann Joachim Quantz (1697-1773), der bereits im Jahre 1717 in Wien weilte, schrieb in seiner Autobiographie: „ Inzwischen reiste ich im Julius des 1723, in der Gesellschaft des berühmten Lautenisten Weiss und des itzigen Preußischen Capellmeisters, Herrn Graun, nach Prag, um die große und prächtige Oper, welche bey der Krönung Carls des Sechsten, daselbst unter freyem Himmel, durch 100 Sänger und 200 Instrumentalisten aufgeführt wurde, mit anzuhören. ... Wegen der Menge der Ausführer gab der Kayserliche Capellmeister Caldara den Takt. Der alte Fux selbst aber, welchen der Kayser in einer Sänfte von Wien nach Prag hatte tragen lassen, hatte das Vergnügen, diese so ungewöhnlich prächtige Aufführung seiner Arbeit, ohnweit des Kaysers, sitzend anzuhören. Von Wienerischen Orchester aber waren nur etliche zwanzig Personen mitgebracht worden. Die übrigen Instrumentalisten wurden in Prag zusammengesuchet und bestanden aus Studenten und aus den Mitgliedern einiger gräflicher Capellen. Die Chöre waren mit Schülern und Kirchensängern aus der Stadt besetzt. Weil nun wegen der Menge der anwesenden Menschen, auch sogar Personen von vornehmen Stande, der Eingang in die Oper versperret war, so ließen meine beiden Gefährten und ich uns auch mit zum Orchester anwerben. Weiss spielte die Theorbe, Graun das Violoncell und ich den Hoboe als Ripienist. Wir hatten hierdurch zugleich Gelegenheit, die Oper, wegen der vielen nöthigen Proben, desto öfter zu hören.” Antonín Reichenauer (1694?-1730) war einer der vielen Komponisten, die nicht nur für Prager Kirchen und Paläste komponierten, sondern sich auch außerhalb des Königreichs Respekt verschafften. Seine Orchesterwerke, die wahrscheinlich für die von Antonio Vivaldi gelobte Kapelle des Grafen Morzin geschrieben worden sind, finden wir in verschiedenen deutschen Archiven, insbesondere in Dresden. Für die Kapelle des gleichen Herren war auch Johann Friedrich Fasch (1688-1758) schöpferisch tätig, der im Jahr 1721 Greiz verlässt und „Componist” wird im Dienste des Grafen Morzin in Prag. Graf Morzin war mit Sicherheit sehr stolz auf seine „Componisten” und seine Kapelle, für die A. Vivaldi seine berühmten „Vier Jahreszeiten” schrieb. Durch seine Kontakte fanden viele Werke von Fasch und Reichenauer den Weg in die wichtigen Musikzentren wie Wien und Dresden. Im Tagebuch des Prinzen Anton Ulrich (späterer Herzog von Sachsen-Meiningen) finden wir unter dem Datum „in Wien, 16.9.1723” folgende Notiz: Diesen Morgen hat mir Graff Morzin ein Concert von Vivaldi, eine Ouverture von Fasch, zwei von Reichenauer und ein Concert von eben diesen geschickt. Man kann vermuten, dass das die aktuellsten Neuigkeiten aus Prag waren, die gerade im Laufe der Feierlichkeiten entstanden und aufgeführt worden sind. Von Dresden reiste im Jahre 1723 auch Jan Dismas Zelenka (1679 - 1745) nach Prag. Dieser, bei J. J. Fux ausgebildeter Komponist, stand imDienst August des Starken und galt als „Favorit” des Böhmischen Adels und der Jesuiten. Sein Melodram „Sub Olea Pacis et Palma Virtutis” bildete gewissermaßen das Gegenstück zur Krönungsoper „Costanza e Fortezza”. Außerdem komponierte Zelenka in Prag eine Reihe anspruchsvoller Orchesterwerke. Heute lässt sich zwar nicht mehr rekonstruieren, wer die Solopartien seines G-Dur Concerto spielte, doch standen ihm zweifellos die besten Instrumentalisten seiner Zeit zur Verfügung. So kann man sich mit ein wenig Fantasie eine Aufführung in einem Prager Palast vorstellen, wo Persönlichkeiten wie F. M. Veracini, A. Caldara, J. D. Zelenka, G. Tartini, C. H. Graun etc. gemeinsam musizierten. Henrico Albicastro (1661-1730) wird urkundlich Collegium 1704 (Prag) JUNI 2003 Samstag, 7. Juni 2003, 20.00 Uhr Minoritenkirche , Dachauplatz Leitung und Cembalo: Václav Luks Orchesterouvertüren des 18. Jahrhunderts aus Wien, Prag und Dresden 12 Collegium 1704 Václav Luks

JUNI 2003 erstmals in den Niederlanden erwähnt, wo er sich an der Universität in Leiden unter dem Namen „Johannes Hendrik Weysenbergh” als „Viennensis, Musicus Academiae” einschrieb. Ob Albicastro tatsächlich aus Wien nach Leiden gekommen war, wie der Vermerk „Vienensis” nahe legt, ist unsicher; immerhin deutet auf eine mögliche Verbindung mit Österreich der Titel seiner ersten Sammlung von Triosonaten „Il giardino armonico sacro-profano” hin, der an ähnlich getitelte Werke von H. I. F. Biber, J. H. Muffat oder J. J. Fux erinnert. Vielleicht war Albicastro einer der vielen Komponisten, die bei J. J. Fux in Wien Komposition studiert haben. Trotzt seiner Stellung als „Musicus Academiae” war Albicastros eigentlicher Beruf die militärische Laufbahn. Während des Spanischen Erbfolgekrieges wurde er zum Rittmeister des niederländischen Heeres befördert und blieb dem Militär auch nach dem Frieden von Utrecht verbunden, bis er 1730 in den jährlichen Offizierslisten zum letzten Mal erwähnt wird. © Václav Luks 13 PROGRAMM JANDISMASZELENKA Ouverture à 7 concertanti F-Dur für zwei (1679-1745) Oboen, Fagott, Streicher und B.c. Ouverture (Grave-Allegro-Grave) - Aria - Menuett I - Menuett II - Siciliano - Folia HENRICOALBICASTRO Concerto a quattro c-Moll, op. 7/IV (1661-1730) Grave - Allegro - Tremolo. Adagio - Allegro ANTONINREICHENAUER Orchesterouverture B-Dur für zwei (1694?-1730) Oboen, Fagott, Streicher und B.c. PAUSE JANDISMASZELENKA Concerto à 8 concertanti G-Dur für zwei Oboen, Fagott, Streicher und B.c. (Allegro) - Largo cantabile - Allegro JOHANNFRIEDRICHFASCH Ouverture D-Dur für zwei Traversflöten, (1688-1758) zwei Oboen, zwei Naturhörner, Streicher und B.c. Ouverture - Air un poco allegro - Gavotte I & II - Air Bourrée I & II - Menuet I & II Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente, Christian Fuchs, 33602 Bielefeld, für die freundliche Bereitstellung des Cembalos. Wir danken dem Institut für Musikpädagogik der Universität Regensburg für die freundliche Bereitstellung der Truhenorgel. AUSFÜHRENDE COLLEGIUM1704 Lenka Koubková, Martin Kaplan, Jan Marek, Eduardo Garcia, Jana Chytilová Violine I Adéla Drozdová, Jan Hádek, Markéta Langová Violine II Donate Schack, Adam Dobrylovsky´, Josef Fiala Viola Hana Fleková, Daniel Fürthnerová Violoncello Ondr˘ej S˘ tajnochr Kontrabass Jana Semerádová, Martina Lesná Traversflöte Michael Bosch, Stefanie Hegele Oboe Györgyi Farkas Fagott Václav Luks, Miroslav Rovensky´ Naturhorn Václav Luks, Carsten Lorenz Cembalo/Orgel Minoritenkirche Das Regensburger Minoritenkloster wurde im Jahre 1226, im Todesjahr des hl. Franziskus gegründet. Aufgrund reicher Stiftungen konnte um die Jahrhundertmitte mit dem Neubau einer großen Ordenskirche, der Minoritenkirche, begonnen werden. Im ersten Jahrhundert seines Bestehens wirkten drei berühmte Mönche in diesem Kloster: der gelehrte Mystiker David von Augsburg (um 1240), der geistliche Dichter Lamprecht (gegen 1300) und der berühmte Volksprediger Berthold von Regensburg (gest. 1272). Die Minoritenkirche ist die größte Kirche des Franziskanerordens in Süddeutschland. Das frühgotische flachgedeckte Langhaus wurde um 1260/70 erbaut, der gewölbte Chor im 14. Jahrhundert. Die Wandmalereien des 14. bis 16. Jahrhunderts wurden in den letzten Jahrzehnten freigelegt. Vor der Stelle, wo sich der Hochaltar befand, wurde das Grab Bertholds eingelassen. Prager Schloss 1723

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