Tage Alter Musik – Programmheft 2003

JUNI 2003 schlagen versucht, als er für eine typisch französische Ouverture zu erwarten gewesen wäre. Polnische Musik war weitgehend bekannt als Volksmusik und Tanzmusik, während man beim französischen WortOuverturewohl eher an vornehme höfische Musik dachte. Während dieSonata Discortatokein typisch polnisches Stück ist, war die Prozedur Scordatura in der Volksmusik weithin bekannt und könnte wohl auch Telemann vertraut gewesen sein. Discortato im Sinne von ungestimmt oderScordatura als ein Umstimmen des Instruments war eine Technik, mit deren Hilfe der Komponist eine andere Stimmung für die leeren Saiten der Violine auswählte, was die Klangfarbe des Instruments veränderte und das Spielen von Akkorden und Doppelgriffen in einer bestimmten Tonart erleichtern konnte. Indem er eine Stimmung wählte, bei der die Saiten tiefer als üblich gestimmt waren, konnte der Komponist ein dunkleres Timbre des Instruments erreichen, während die von den polnischen Fiedlern regelmäßig gewählte Höherstimmung der Saiten dem Instrument einen helleren, schrillen Klang gab. Die Sonate ist in zwei verschiedenen Versionen erhalten. Eine Triosonate für zwei skordierte Violinen und Basso continuo scheint das Original zu sein, während eine fast identische Fassung erhalten ist, deren Ecksätzen eine Flötenstimme hinzugefügt wurde - vielleicht für einen adeligen Amateur? - die, obwohl sie nicht unverzichtbar ist, eine sehr reizvolle klangliche Wirkung schafft. Händel ist eher bekannt für seine meisterliche Beherrschung des italienischen Stils und sein Geschick, englische Stilelemente aufzunehmen, als für irgendein reflektiertes Interesse an französischengoûts réünisoder amvermischten Geschmack seiner deutschen Heimat. Nichtsdestotrotz ist er ein geborener „Stilevermischer” und seine hohe Kunst zeigt sich sehr gut in seinen Orchestersuiten. Die dritte Suite in G-Dur aus seinerWassermusik , auch bekannt als die Flötensuite, wurde zusammen mit den beiden anderen Suiten (FDur, D-Dur) uraufgeführt bei einer königlichen Flussfahrt auf der Themse in London im Juli 1717. Telemanns Suite in Es-dur nennt ausdrücklich eine „Flûte pastourelle” für den Solopart, ohne weitere Erklärung, welches Instrument damit gemeint ist. Die Herkunft der „Flûte pastourelle” ist nicht sicher, aber sie gehörte sicherlich nicht zum üblichen Instrumentarium des Adels. Der Name lässt eine Art ländliche Pfeife vermuten. Der Solopart umfasst nur eine Oktave und eine Sexte und scheint so besser zu einer Renaissanceblockflöte zu passen als zu einem Barockinstrument. Alle anderen Telemannschen Blockflötenstimmen beanspruchen den vollen Tonumfang des Barockinstruments. Glücklicherweise hat in einer Sammlung in Kopenhagen ein Instrument überlebt, das den Anforderungen dieses Stückes gerecht wird. Matthias Maute verwendet eine Kopie dieses Instruments. Es ist eindeutig ein Folklore-Instrument, eine Art Piccolo-Blockflöte, gestimmt auf a’ = 440 Hz mit einem begrenzten Tonumfang und anderen der Renaissanceblockflöte ähnlichen Eigenschaften. Trotz seiner geringen Größe hat es einen relativ dunklen Ton. Als Sechstel-Flöte ist dieses Instrument in D, aber da es einen Halbton höher gestimmt ist als die Streicher und das Cembalo, die auf a’ = 415 gestimmt sind, spielt die Flöte in D-Dur und erklingt in EsDur. Die Ouvertüre zu dieser Suite erinnert an Telemanns ausdrücklich als polnisch bezeichnete Stücke. Verstärkt wird dieser Eindruck durch den folkloristischen Klangcharakter der Flöte und den ausgiebigen Gebrauch von polnisch gefärbten Volksmusikmelodien in den Tanzsätzen. Pastorale Elemente weist die zweite Bourrée auf, in der die Solovioline echoartig der Flöte antwortet. Es ruft das Bild von auf den Feldern vor ihren grasenden Schafen musizierenden Schäfern hervor. © John Moran 9 PROGRAMM GEORGPHILIPPTELEMANN Concerto für Traversflöte, Streicher und (1681-1767) B.c. D-Dur, TWV 51, D2 Moderato - Allegro - Largo - Vivace Sonata Polonese à 3 für Violine, Viola und B.c. a-Moll, TWV 42, a 8 Polonoise - Allegro - Dolce - Allegro Sonata Discortato à 4 für zwei skordierte Violinen, Traversflöte und B.c. A-Dur, TWV 43, A 7 Affetuoso - Vivace - Air en Menuet - Bourrée GEORGFRIEDRICHHÄNDEL Suite aus der “Wassermusik” für (1685-1759) Blockflöte, Streicher und B.c. G-Dur, HWV 350 Sarabande - Rigaudon I & II - Menuet I & II Gigue I & II -Rigaudon PAUSE GEORGPHILIPPTELEMANN Concerto Polonoise à 4 für zwei Violinen, Viola und B.c. B-Dur, TWV 43, B 3 Polonoise - Allegro - Largo - Allegro GEORGPHILIPPTELEMANN Suite für Flûte pastourelle, Streicher und B.c. Es- Dur, TWV 55, Es 2 Ouverture - Menuet I & II - Sarabande Bourée en Echo I & II alternativement Passepied I & II - Gavotte - Gigue Wir danken der Meisterwerkstätte für historische Tasteninstrumente, Markus Krebs, CH-8200 Schaffhausen, für die freundliche Bereitstellung des Cembalos. AUSFÜHRENDE REBEL Matthias Maute Traversflöte, Blockflöte Jörg-Michael Schwarz Violine Karen Marie Marmer Violine, Viola Thomas Rink Viola John Moran Violoncello Jean-Michel Forest Kontrabass Dongsok Shin Cembalo Letztes Jahr im Reichssaal

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