Tage Alter Musik – Programmheft 2010

Festwochen“ (Österreich), „Musique et Memoire“ (Frankreich) und „Laus Polyphoniae“ (Belgien). Mittlerweile liegen mehrere sehr erfolgreiche CDEinspielungen und zahlreiche Radiomitschnitte (DLR, RBB, MDR) vor. Zum Programm: Die Instrumentalmusik des 16. Jahrhunderts war von Blasinstrumenten dominiert. Seit dem späteren Mittelalter waren an vielen europäischen Höfen, Städten und Kirchen, an letzteren zusätzlich zu den traditionellen klerikalen Sängerensembles, Instrumentalisten zum Zweck der musikalischen Repräsentation fest angestellt worden. Als Pfeifer in städtischen oder höfischen Diensten, als Waits, Piffari oder Ministriles, hatten sie nicht nur bei Festveranstaltungen die Versammlung an der Tafel zu unterhalten oder zum Tanz aufzuspielen, auch in der Kirche erklangen ihre Instrumente alleine oder als Verstärkung der Sänger zum Lob Gottes ebenso wie zur Demonstration von Macht, Prunk und Kunstsinn ihrer Dienstherren. Die im Konzert präsentierten Kompositionen geben einen Eindruck von der außerordentlichen Vielfalt der musikalischen Repertoires höfischer, städtischer und kirchlicher Instrumentalkapellen des 16. und beginnenden 17.Jahrhunderts. Die Beispiele zur Tanzmusik aus den 1555 in Breslau erschienenen Sammlungen der dortigen Stadtpfeifer Paul und Bartholomäus Hess stammen aus Deutschland, Italien und Polen. Die beiden Brüder waren darüber hinaus in typischer Weise als Konstrukteure und Hersteller von Holzblasinstrumenten für eine internationale Klientel tätig. Das Spiel auf den Blasinstrumenten blieb zunächst Sache der professionellen Musiker. Mit der Idee einer umfassenden Bildung und dem Bedürfnis des Adels und Bürgertums, auch selbst musikalisch aktiv zu werden, gewannen dagegen das Cembalo und vor allem die Laute für diese Gesellschaftsschichten eine erhebliche Bedeutung. So wurden viele Kompositionen für diese Instrumente bearbeitet, darunter auch Tänze. Das steigende Ansehen der Tanz- und der Instrumentalmusik ganz allgemein lässt sich auch daran ablesen, dass sich an der Wende zum Barock nun auch akademisch ausgebildete Komponisten wie Johann Hermann Schein dieser Gattung annahmen. Schein, der wenige Monate vor der Veröffentlichung seiner Tanz-Suiten in seinem Banchetto Musicale (Leipzig 1617) Kantor an der Leipziger Thomaskirche geworden war, liefert mit seinen Stücken einen wichtigen Beitrag zur Entstehung der barocken Tanzsuite. Ein besonderes Beispiel eines fürstlichen Musikmäzens war Landgraf Moritz von Hessen. Er unterhielt eine bedeutende Hofkapelle, auch hatte er als wichtiger Förderer von Heinrich Schütz große Bedeutung für dessen musikalische Entwicklung. Darüber hinaus komponierte er selbst zahlreiche Werke, unter diesen auch einige freie Instrumentalstücke und Tänze. Antony Holbornes 1599 veröffentlichte Tänze für Instrumentalensemble zeichnen sich durch eine besondere rhythmische Vielschichtigkeit und einen „typisch englischen“, manchmal etwas melancholischen Klang aus. Viele dieser stark stilisierten und wohl kaum noch für die Begleitung von Tänzern gedachten Kompositionen existieren auch in Fassungen für die Laute, wobei oft nicht festzustellen ist, welche dieser Versionen zuerst existierte. Neben der Tanzmusik war die zeitgenössische Vokalmusik ein ganz wesentlicher Teil des instrumentalen Repertoires. Entsprechende Quellen bedeutender Bläserensembles sind uns aus Orten wie Kopenhagen, Graz oder dem spanischen Lerma erhalten. Das Repertoire dieser handschriftlichen Sammlungen besteht zum größten Teil aus instrumental aufgeführter Vokalmusik. Aus Lerma stammen zwei bedeutende Manuskripte, die um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert für die Ministriles , die Bläserkapelle des Herzogs von Lerma, angelegt wurden. Die Sammlungen enthalten neben einigen Tänzen vor allem Vokalmusik und versammeln ein Panorama der unterschiedlichsten Gattungen: von italienischen Madrigalen über französische Chansons bis hin zu geistlichen Kompositionen aus Spanien und anderen Ländern. So konnten und können die Bläser mit den prachtvollen Motetten eines Palestrina oder den wehmütigen Madrigalen eines Philippe Verdelot ihre ganze Vielseitigkeit demonstrieren. © Armin Brinzing TAGEALTERMUSIKREGENSBURG MAI2010 29 PPROGRAMM LANDGRAFMORITZ VONHESSEN Pavana della Tromba Hollandica (1572-1632) GEBRÜDERHESS Passamezzo BARTHOLOMÄUSHESS / PAULHESS (1518-1585) PAULKUGELMANN Ein frischer Gesang (1558) (+1580) FRANCISCOGUERRERO Pange lingua à 4 (1528-1599) JUAN DEURREDA Pange lingua à 5 (1445-1500) GIACOMOGORZANIS Pavana El Bisson (1520/25-1575) La barca d’amore FRANCESCOCORTECCIA Guardan almo pastore (1502-1571) ALESSANDROSTRIGGIO Sara che cessi (1537-1592) JUANAMBROSIODALZA Calata a la Spagnola (1508) (um 1500) PHILIP DEVERDELOT Ultimi mei sospiri (1490-1562) GEBRÜDERHESS Pavana /Galliarda Stadtpfeifertanz Saltarello PAUSE FRANCISCOCORREA DEARAUJO Tiento para dos tiples (1584-1654) FRANCISCOGUERRERO Tantum ergo à 4 ANTHONYHOLBORNE Pavana Bona Speranza – Honey suckle – Almaine – Fairie Round – The Night watch FITZWILLIAMVIRGINALBOOK Farnaby’s Dream (ca. 1610-ca. 1620) MICHAELPRAETORIUS Peccavi (1571-1621) JOHANNHERMANNSCHEIN Suite aus „Banchetto Musicale“ (1586-1630) Pavane – Gagliarde – Allemande – Courrante - Tripla AUSFÜHRENDE CAPELLA DE LATORRE Katharina Bäuml Leitung, Schalmei, Dulzian William Dongois Zink Birgit Bahr Pommer, Dulzian, Flöte Detlef Reimers Posaune Annette Hils Bassdulzian, Flöten Regina Sanders Bassdulzian, Flöten Johannes Vogt Laute, Cister Peter A. Bauer Perkussion Katharina Bäuml Foto: Klaus Kohn

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